Brasilien: Neue Präsidentin will Armut stärker bekämpfen

Brasilien: Neue Präsidentin will Armut stärker bekämpfen
Brasilien wird erstmals in seiner Geschichte von einer Präsidentin regiert. Die 63-jährige Linkspolitikerin Dilma Rousseff legte am Samstag in Kongress in Brasília den Amtseid auf die Verfassung ab und versprach in ihrer ersten Rede als Staatschefin, dass die Armutsbekämpfung oberste Priorität für ihre Regierung haben werde.

Rousseff folgt auf Luiz Inácio Lula da Silva, der nach zwei Amtszeiten ausschied. Die Ökonomin würdigte die Erfolge ihres Vorgängers, dem sie und das Land viel zu verdanken hätten. "Viele Dinge haben sich verbessert. Aber wir stehen erst am Anfang einer neuen Ära. Brasilien erwacht und hat zum ersten Mal wirklich die Chance, ein entwickeltes Land zu werden", sagte Rousseff, die neben der Armutsbekämpfung Verbesserungen im Gesundheitswesen und im Schulbereich als vorrangige Ziele angab.

Die neue Staatschefin legte im Kongress auch ein Bekenntnis zum Umweltschutz ab: "Ich erachte es als heilige Mission, der Welt zu zeigen, dass ein Land schnell wachsen kann, ohne dabei die Umwelt zu zerstören." Rousseff hatte sich am 31. Oktober 2010 gegen den Oppositionskandidaten José Serra in einer Stichwahl durchgesetzt. In ihre Amtszeit fallen Milliardeninvestitionen für die Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft 2014 und auch der Olympischen Spiele 2016 in Rio. In ihrem Kabinett mit 37 Ministern sind neun Frauen. Außenminister ist der Ex-Botschafter Brasiliens in Washington, Antonio Patriota.

Clinton und Abbas dabei

Die neue Präsidentin war begleitet von einer Reitereskorte und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen bei strömendem Regen in einem Rolls-Royce zum Kongressgebäude gefahren. Zur Zeremonie waren Vertreter von fast 50 Ländern in die brasilianische Hauptstadt gereist, darunter mehr als 20 Staats- und Regierungschefs vor allem aus Lateinamerika und Afrika. An der zentralen Ministeriumsstraße im Zentrum Brasílias war eine Festmeile mit Bühnen aufgebaut. Zu den Ehrengästen gehörten unter anderen US-Außenministerin Hillary Clinton und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Aus Südamerika kamen Venezuelas linker Staatschef Hugo Chávez und Boliviens Präsident Evo Morales. Bulgarien, Herkunftsland von Rousseffs Vater, entsandte Ministerpräsident Bojko Borissow.

Rousseff ist seit 2003 eine Schlüsselfigur im System Lula. Zunächst diente die Volkswirtin dem Präsidenten zweieinhalb Jahre lang als effiziente Bergbau- und Energieministerin bis sie Mitte 2005 als Präsidialamtsministerin ins Zentrum der Macht rückte. Die Tochter eines bulgarischen Einwanderers macht sich stark für einen Wachstumskurs um fast jeden Preis. Wie Lula befürwortet sie dabei fragwürdige Projekte wie den Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte in Amazonien.

Ehemals in der Stadtguerilla

Ihre linke Vergangenheit hat Rousseff nie verleugnet. Als 19-jährige Studentin hatte sie sich dem bewaffneten Widerstand gegen das Militärregime in Brasilien (1964-1985) angeschlossen. Rasch stieg sie in die Führungszirkel der Stadtguerilla auf. 1970 wurde sie verhaftet, wochenlang gefoltert und verbrachte fast drei Jahre im Gefängnis. Nach Ende der Diktatur gehörte sie zu den Gründern der Demokratischen Arbeitspartei. Obwohl sie im Gegensatz zum charismatischen Lula einen eher spröden Eindruck macht, erhielt sie bei der Stichwahl um das Präsidentenamt Ende Oktober 56,05 Prozent der Stimmen. Damit setzte sie sich deutlich gegen ihrern rechtsliberalen Mitbewerber José Serra durch.

dpa