Mariele Millowitsch: "Ich bin kein Zahlenmensch"

Mariele Millowitsch: "Ich bin kein Zahlenmensch"
Die Schauspielerin Mariele Millowitsch über ihre Rolle als hochbegabte TV-Ermittlerin Marie Brand, schräge Krimihelden und ihre Angst vor Achterbahnen.
30.12.2010
Von Cornelia Wystrichowski

Sie ist hochbegabt, liebt Primzahlen und kann mit der linken und der rechten Hand gleichzeitig verschiedene Formulare ausfüllen: Die von Mariele Millowitsch gespielte Marie Brand ist eine TV-Kommissarin der etwas anderen Art – jetzt löst sie ihren fünften Fall. Im Krimi "Marie Brand und die letzte Fahrt"  (20.15 Uhr, ZDF) geschieht in einer Geisterbahn ein brutaler Mord. Bei den Ermittlungen lernen Marie und ihr Kollege, der Möchtegern-Macho Jürgen Simmel (Hinnerk Schönemann), die raue Wirklichkeit hinter den bunten Kirmeskulissen kennen.

Die 55-jährige Mariele Millowitsch ist das jüngste Kind des Kölner Volksschauspielers Willy Millowitsch (1909 – 1999), sie wurde in den Neunzigern mit den Serien "Girl friends" (ZDF) und "Nikola" (RTL) zum Star. Seit 2008 spielt sie die scharfsinnige Ermittlerin Marie. Weil die komisch angehauchten Krimis beim Publikum so gut ankommen, hat das ZDF bereits zwei neue Folgen gedreht, zwei weitere sind in Vorbereitung.

Frau Millowitsch, in Ihrem neuen Fall als Marie Brand geht es um einen Mord in einer Geisterbahn, gedreht wurde auf einer Kirmes in Düsseldorf. Wie war es, hinter die Kulissen des Vergnügungsbetriebs zu schauen?

Mariele Millowitsch: Es war wirklich interessant zu sehen, wie diese Menschen leben, wie die Hilfskräfte untergebracht sind. Mir war vorher nicht klar, mit wie wenig sie auskommen müssen. Wie sie in ihren Wohnwagen zusammengepfercht sind: In eine Ecke wird noch eine Waschmaschine reingequetscht, in der anderen wird gekocht – alles auf engstem Raum. Da habe ich schon gestaunt.

Gaststar Gesine Cukrowski musste für eine Szene in einer ultramodernen Achterbahn fahren. Hätten Sie sich das auch getraut, wenn es nötig gewesen wäre?

Millowitsch: Ach du liebe Güte. Ich gebe es wirklich nur ungern zu, wenn ich zu viel Angst habe oder etwas nicht kann, und bislang habe ich ja auch noch alles mitgemacht. Also wahrscheinlich hätte ich mich letztlich überwunden. Aber ich kann nur sagen: Chapeau, dass sich Gesine Cukrowski in dieses Ding reingesetzt hat. Bei der Szene wurde nicht getrickst, sie saß da tatsächlich die ganze Zeit drin, mit der festmontierten Kamera vor ihrem Gesicht. Übrigens hat allein der Aufbau dieser Kamera eine Stunde gedauert, weil sie den enormen Fliehkräften standhalten musste.

Klingt ganz so, als wären Sie kein Achterbahn-Fan...

Millowitsch: Ich bin früher schon ab und zu mal Achterbahn gefahren, aber es war mir eigentlich immer mulmig. Und heutzutage sind diese Dinger mit ihren Mehrfach-Loopings ja total wahnsinnig geworden. Man sitzt in den ganz modernen Fahrgeschäften ja auch nicht mehr, sondern man hängt, wird also noch mehr rumgeschleudert. Also das wäre gar nichts für mich.

Die zuletzt gezeigte Folge der Krimireihe Ende 2009 hatte mehr als sechs Millionen Zuschauer. Woran liegt der Erfolg?

Millowitsch: Es liegt vor allem daran, dass Marie Brand und ihr Kollege Simmel so unterschiedlich sind. In dieser Konstellation liegt ein großes Potenzial für Komik, da entstehen ganz besondere Situationen. Simmel ist zwar nicht gerade ein Idiot, aber er guckt halt ein bisschen viel Krimis und möchte gerne so sein wie die Helden, die er im Kopf hat. Marie Brand geht komplett anders an die Fälle ran und muss sich nichts beweisen, das liebe ich an ihr. Sie macht sich nichts vor, sie ist eine sehr entspannte Frau.

Und sie hat ein unglaubliches Zahlengedächtnis – da kann man ja regelrecht neidisch werden.

Millowitsch: Ich bin auch neidisch! Ich selber bin kein Zahlenmensch. Texte sind kein Problem, die kann ich mir merken. Aber wenn es um Zahlen geht, etwa um Telefonnummern, überhaupt um das ganze Thema Rechnen – das ist bei mir eine Katastrophe.

Die Kommissarin hat aber nicht nur eine Schwäche für Zahlen, sie ist insgesamt so hochbegabt, dass sich ihre Mitmenschen öfter mal wundern. „Marie hat einen Knall", haben Sie selber mal gesagt...

Millowitsch: Es ist für einen Schauspieler wunderschön, so etwas bedienen zu dürfen! Das macht einfach Spaß. Allerdings ist es gleichzeitig schwierig, jemanden darzustellen, der ein bisschen merkwürdig ist. Ein Charakter, der schlichtweg nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, interessiert die Zuschauer irgendwann nicht mehr, ist auf Dauer nicht spannend. Man muss da einen Mittelweg finden.

Wurden deshalb diesmal die Szenen, in denen Maries Begabung zum Vorschein kommt, reduziert?

Millowitsch: Ja, wir haben das diesmal bewusst ein bisschen reduziert. Das wird sicherlich auch mal wieder mehr. Aber ich will unbedingt vermeiden, dass die Figur als deutsche Antwort auf schräge amerikanische Serienhelden wie Monk oder Inspektor Columbo gesehen wird. Speziell diese beiden habe ich beim Drehen gedanklich ausgeblendet, um sie nicht unbewusst nachzumachen. Außerdem würde es dann ja auch ganz schnell heißen: Den deutschen Fernsehmachern fällt nichts Eigenes mehr ein.

Wie geht es mit der Reihe weiter?

Millowitsch: Wir drehen auf jeden Fall zwei neue Fälle pro Jahr. Und es bleibt dabei, dass sich Frau Brand immer wieder in Situationen bringt, aus denen Herr Simmel sie wieder herausholen muss. Sie läuft einem Verdächtigen hinterher, weil sie wieder mal zu neugierig ist, und – bums! – kriegt sie eins übergebraten. Dann muss Herr Simmel kommen und ihr aus der Patsche helfen.

Wie viele untaugliche Rollenangebote mussten Sie eigentlich ablehnen, bevor Sie auf Marie Brand gestoßen sind?

Millowitsch: Ich bekomme viele Komödien auf den Tisch, weil das bei mir nahe liegt – mal bessere, mal schlechtere. Aber nachdem ich für RTL mehrmals die Kommissarin Mona Seiler gespielt hatte, dachte ich: Mariele und Krimi, das Thema ist durch. Dann kam Produzentin Micha Terjung, die ja auch meine Freundin ist, mit dem Projekt und fragte, ob mich das interessieren würde. Bei der Figur der Marie Brand habe ich sofort Feuer gefangen. Ich war zunächst trotzdem nicht ganz happy, weil ich dachte: Oh, mit einer Freundin zu arbeiten, das kann schief gehen – dass wir uns da vielleicht in die Wolle kriegen. Aber zum Glück hat sich das Gegenteil erwiesen.


Cornelia Wystrichowski ist freie Journalistin in Berlin