Staatsvertrag offenbar gescheitert

Staatsvertrag offenbar gescheitert
Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags steht offenbar vor dem Aus. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen wird dem Regelwerk am Donnerstag voraussichtlich geschlossen nicht zustimmen. Nach FDP, CDU und Linkspartei kündigten am Mittwoch auch die Fraktionen von Grünen und SPD an, sie wollten den Vertrag ablehnen. Rot-Grün hat im Landtag keine Mehrheit.

NRW und Schleswig-Holstein hätten die Novelle als letzte Bundesländer ratifizieren müssen, damit sie zum 1. Januar 2011 hätte in Kraft treten können. Nach der zu erwartetenden Ablehnung in NRW beschlossen CDU und FDP in Schleswig-Holstein, die ebenfalls für Donnerstag geplante Abstimmung im Landtag von der Tagesordnung zu nehmen.

Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten bedauerte das voraussichtliche Scheitern der Vertragsnovelle. Zugleich kündigte sie an, sich im Dialog mit allen Beteiligten an einigen Punkten für Verbesserungen einzusetzen, vor allem bei den Jugendschutzprogrammen. Diese müssten von Eltern nach ihren Wünschen konfiguriert werden können, sie sollten eine Unterstützung und keine zusätzlich Belastung sein. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter forderte, die guten Ansätze aus der Novellierung dürften nicht gänzlich in der Versenkung verschwinden.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die FDP im NRW-Landtag, ehemals als Regierungspartei an der Aushandlung des Vertrags beteiligt, verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet und ihre Ablehnung des "schlecht gemachten" Papiers angekündigt. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ralf Witzel kritisierte, eine Übertragung der bisher geltenden Jugendschutzregeln für Rundfunk und Fernsehen auf das dynamische Medium Internet sei nicht praktikabel. Er begrüßte am Mittwoch die Entscheidung von SPD und Grünen und forderte die Erarbeitung eines neuen verbesserten Gesetzesentwurfs.

Am Dienstag hatte auch die CDU-Fraktion überraschend ihre Ablehnung des vom damaligen Regierungschef Jürgen Rüttgers mit ausgehandelten Papiers angekündigt. Der medienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Krautscheid, begründete dies mit ernstzunehmenden "Besorgnissen", die bei einer Expertenanhörung im November geäußert wurden. Die vom Staatsvertrag vorgesetzte Jugendschutzsoftware werde nach Auskunft der Industrie im ersten Quartal 2011 noch nicht zur Verfügung stehen. Diese Zeit sollten die Länderregierungen nutzen, Unklarheiten im Vertrag zu beseitigen. "Es ist kein Beinbruch, wenn der Vertrag einige Monate später in Kraft tritt."

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) warf CDU und FDP am Mittwoch vor, sich mit diesem Verhalten aus der staatspolitischen Verantwortung zu stehlen. Ihre Partei hätte dem Vertrag trotz großer inhaltlicher Bedenken zugestimmt. Auch der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) beklagte in Mainz, er könne nicht nachvollziehen, warum sich eine frühere Regierungspartei in der Opposition nicht mehr an ihre eigene Unterschrift gebunden fühle.

Die Landesvorsitzenden der NRW-Grünen, Sven Lehmann und Monika Düker, sprachen von "politischer Schizophrenie" der ehemaligen schwarz-gelben Regierungsparteien. Sie begrüßten, ebenso wie die Grünen im Bundestag, dass nun an einer Verbesserung des Gesetzes gearbeitet werden müsse. Die geplante Novelle habe bei Anbietern im Netz bereits jetzt für Unsicherheit gesorgt.

Der Vertrag sollte nach Zustimmung durch die Landesparlamente zum 1. Januar in Kraft treten. Er sieht unter anderem vor, dass Anbieter Onlineinhalte, die "entwicklungsbeeinträchtigend" für Kinder sein könnten, entweder wie bisher ab bestimmten Zeiten zugänglich machen oder freiwillig mit Alterskennzeichnungen versehen lassen. Diese könnten dann von anerkannten softwarebasierten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden. Diese könnten Eltern dann zu Hause installieren.

Netzaktivisten hatten die Befürchtung geäußert, dass die neuen Regeln "irreversible Schäden" im Kommunikationsmedium Internet hinterlassen. Sie sehen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Altersfreigaben.