Südsudan: Flüchtlinge kehren vor Abstimmung zurück

Südsudan: Flüchtlinge kehren vor Abstimmung zurück
Anfang Januar nächsten Jahres steht im Sudan die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des christlichen Südteils an. Viele Flüchtlinge kehren schon jetzt zurück.
25.11.2010
Von Matt Richmond und Eva Krafczyk

Jede Woche kommen neue Busse mit Rückkehrern in Bentiu an, der Hauptstadt des Bundesstaates Unity an der Grenze zwischen Nord- und Südsudan. Beladen mit den Habseligkeiten, mit denen sie vor Jahren vor dem Bürgerkrieg im größten Staat Afrikas flohen, sind inzwischen mehr als 18.000 Menschen zurückgekommen - weniger als zwei Monate vor der historischen Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit des Südens. Neben den von den UN organisierten Transporten sind allein im November mehr als 5.300 Menschen auf eigene Faust in den Süden zurückgekehrt.

Es ist eine Rückkehr in ein Land, das noch immer schwer gezeichnet ist von den Folgen des Krieges, der 2005 nach mehr als 20 Jahren endete. Es gibt kaum asphaltierte Straßen, Schulen und Krankenhäuser sind in schlechtem Zustand, die Infrastruktur ist mangelhaft. Doch das ist den meisten egal. "Es ist egal, ob das ein gutes oder ein schlechtes Land ist," sagt der 39-jährige Chuor Fit, der auf seine Lebensmittelzuteilung wartet. "Ich bin zurückgekommen, um dort zu leben, wo ich geboren wurde."

Der Neuanfang wird nicht leicht sein im bitterarmen Süden, der seit dem Friedensabkommen von 2005 von einer teilautonomen Regierung mit Sitz in Juba regiert wird. Schon vor Ankunft der Menschen aus dem Norden hatten nach UN-Schätzungen mindestens 50 Prozent der Einwohner von Unity State nicht genügend Nahrungsmittel. Die einzige Fernstraße, über die Lebensmittel und andere Güter transportiert werden, kommt aus dem Norden - sollte es nach dem Referendum am 9. Januar zu neuen Spannungen zwischen Nord und Süd kommen, wäre diese Versorgungsader abgeschnitten.

"Sie haben gar nichts"

Im Süden beginnt derzeit die Trockenzeit. Selbst wenn die Regierung den Neuankömmlingen jetzt Land zuteilt, wird es bis Ende Juni dauern, ehe sie zum ersten Mal ernten können. Bis dahin sind sie auf Hilfe angewiesen. Die Regionalverwaltung von Unity hat bereits an die internationale Gemeinschaft appelliert, für die kommenden neun Monate Lebensmittel, Unterkünfte und medizinische Hilfe zur Verfügung zu stellen.

Georg Charpentier, UN-Koordinator der humanitären Maßnahmen im Sudan, warnt allerdings vor einer neuen Abhängigkeit der Neuankömmlinge. "Wir müssen vermeiden, dass Flüchtlings- und Übergangslager geschaffen werden", betont er. "Existiert erst einmal ein großes Lager mit 20.000 bis 30.000 Menschen, haben wir es auf Jahre am Hals."

"Sie haben keine Kühe, sie haben keine Lebensmittel, sie haben keine Farm, sie haben gar nichts", beschreibt der für die Eingliederung der Rückkehrer zuständige Verwaltungschef William Kuol die Lage. Viele der Rückkehrer gehören den Volksgruppen der Dinka und Nuer an, die ihren gesamten Wohlstand in Rindern messen. Auf dem Hof einer Nuer-Familie ist traditionell der Kuhstall das größte und zentrale Gebäude, wichtiger als die Unterkunft der Familie. Für viele der Neuankömmlinge ist es bitter, mit nichts anfangen zu müssen.

Registrierung der Wähler

"Ich habe es satt, warten zu müssen, aber ich habe kein Geld und keine Lebensmittel", klagt Esteban Kuoth, der in einer zur Notunterkunft umgewandelten Schule in Bentiu auf eine Weiterreise in ein Dorf weiter im Süden wartet. Doch während der Regenzeit sind die meisten Straßen im Süden unpassierbar, selbst eine Fahrt von 20 bis 30 Kilometern dauert Stunden, wenn die Fahrzeuge immer wieder im Schlamm einsinken und freigeschaufelt werden müssen.

Vor wenige Tagen begann im Südsudan die Registrierung der Wähler für die Volksabstimmung. Nicht nur die Rückkehrer aus dem Norden drängen zu den Ämtern, um sich eintragen zu lassen. Während die Zentralregierung in Khartum immer nachdrücklich für die Einheit des größten Landes Afrikas wirbt, gibt es im Süden kaum Menschen, die sich für den Verbleib beim Norden aussprechen. Trotz aller absehbaren Schwierigkeiten sehen die meisten ihre Zukunft in einem eigenen Staat.

dpa