Staatsvertrag zum Jugendschutz im Netz scheitert an NRW

Staatsvertrag zum Jugendschutz im Netz scheitert an NRW
Jugendliche sollen im Netz besser geschützt werden. Ein Staatsvertrag dazu wird aber scheitern, weil es im Landtag von Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit dafür gibt. Netzaktivisten atmen auf, denn sie hielten den Vertrag ohnehin für ungeeignet, Kinder effektiv zu schützen.

Der zum 1. Januar geplante Staatsvertrag zur Stärkung des Jugendschutzes im Internet wird an Nordrhein-Westfalen scheitern. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) kündigten am Mittwoch an, dass die Regierungsfraktionen dem Gesetz am Donnerstag im NRW-Landtag nicht zustimmen werden. Der Staatsvertrag sah Altersbeschränkungen für Internetangebote und «Sendezeiten» für jugendgefährdende Inhalte vor. Wie es jetzt weitergeht, ist zunächst unklar.

Netzaktivisten begrüßten das Scheitern, weil die angestrebte Novelle völlig ungeeignet sei, Jugendliche tatsächlich im Netz zu schützen. Kraft und Löhrmann gaben die Schuld für das Scheitern der Opposition von CDU und FDP. Die bis Juli amtierende schwarz-gelbe Vorgängerregierung hatte den Vertrag ratifiziert, nun wollen die Fraktionen von CDU und FDP aber dagegen stimmen.

Freiwillige Alterskennzeichnungen gescheitert

Der Neuentwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) war in der Staatskanzlei der SPD-geführten Landesregierung in Rheinland-Pfalz ausgearbeitet worden und bei Experten auf große Ablehnung gestoßen. Er sollte den Jugendschutz im Internet durch freiwillige Altersklassifizierungen der Webangebote stärken. Eltern sollten dann mit einer Jugendschutzsoftware filtern können, was für ihre Kinder im Netz zugänglich ist. Angebote ohne Altersklassifizierung würden von dem Filter ausgeblendet.

Alternativ sah der JMStV vor, das Web-Angebot wie im Fernsehen nach "Sendezeit" zu beschränken, also beispielsweise einen Film im Netz "ab 16" auch erst nach 20 Uhr sichtbar zu machen. Eine solche Sendezeitregelung ist allerdings auch schon nach dem bislang geltenden JMStV aus dem Jahr 2003 gültig.

Der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, reagierte mit Unverständnis auf das Düsseldorfer Votum: "Ich bin fassungslos, dass die CDU ihre Machtspiele in der Opposition auf dem Rücken unserer Kinder und Jugendlichen austrägt." Mit der Verweigerung der Zustimmung werde eine einmalige Chance vertan, mit freiwilligen Alterskennzeichnungen und dem Einsatz von Jugendschutzprogrammen Kinder und Jugendliche vor verstörenden Inhalten im Netz zu schützen und gleichzeitig die Kommunikationsfreiheit der erwachsenen Nutzer zu erhalten.

Bei den Netzaktivisten wurde insbesondere die Sendezeit-Regelung für das Internet als Beweis gesehen, wie weltfremd der JMStV sei. Mit dem Staatsvertrag werde versucht, das Web wie den Rundfunk zu reglementieren. "Wir freuen uns, dass alle Fraktionen im nordrhein-westfälischen Landtag den JMStV einstimmig ablehnen wollen", sagte Alvar Freude, Sprecher des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur. "Für uns und die "Netzgemeinde" bedeutet dies, dass Netzpolitik von den Parteien ernstgenommen wird und die Bedenken und Hinweise der Experten angekommen sind." Die Piratenpartei begrüßte zwar das Scheitern, monierte aber, der Staatsvertrag sei "nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aus matchpolitischem Kalkül" abgelehnt worden.

Deutsche Kindehilfe kritisiert Entscheidung

Die Deutsche Kinderhilfe kritisierte die Entscheidung in Düsseldorf scharf: Der Jugendschutz werde "auf dem Altar parteipolitischer Ränkespiele geopfert". Der Vertrag wäre ein Einstieg gewesen, Kinder und Jugendliche im Netz besser zu schützen. "Es zeigt sich, dass das Thema Kinder- und Jugendschutz in der Politik immer noch den Stellenwert von Gedöns hat und es am Rückgrat fehlt, getroffene Entscheidungen auch gegen Widerstände durchzusetzen."

Die rot-grüne Minderheitsregierung betonte in Düsseldorf, sie werde nicht den Kopf hinhalten für einen Vertrag, gegen den sie ohnehin starke inhaltliche Bedenken habe. Schulministerin Löhrmann nannte das Verhalten der Opposition "ein Stück aus dem Tollhaus". Die Ablehnung von CDU und FDP sei nicht inhaltlich, sondern taktisch motiviert.

NRW gehört neben Schleswig-Holstein und Brandenburg zu den letzten Bundesländern, die den Vertrag noch ratifizieren müssen. In Kiel wurde der JMStV am Mittwoch von der Tagesordnung des Landtages genommen. Mit dem Scheitern der Novelle bleibt zunächst der alte JMStV aus dem Jahr 2003 in Kraft.

Der frühere CDU-Medienminister Andreas Krautscheid rechtfertigte das Nein der Christdemokraten zu dem von dem damaligen NRW- Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) unterzeichneten Entwurf damit, dass noch Schwachstellen nachgebessert werden müssten. Diese seien erst bei einer Anhörung Anfang November deutlich geworden. So werde die von der Industrie zugesagte Jugendschutzsoftware nicht pünktlich Anfang 2011 fertig. Außerdem habe es im Internet viele Hinweise auf Rechtsunsicherheiten gegeben.

dpa