Minister Niebel: Der Spott ist weg, doch die Skepsis bleibt

Minister Niebel: Der Spott ist weg, doch die Skepsis bleibt
Begleitet von viel Häme und großem Getöse ist Dirk Niebel vor einem Jahr ins Entwicklungsministerium gestolpert. Die Empörung über den Liberalen, der sein eigenes Ressort im vorausgehenden Wahlkampf noch abwickeln wollte, hat sich längst gelegt.
25.10.2010
Von Ellen Großhans

Für seine zügige Reform der staatlichen Entwicklungshilfe erntete der Minister viel Lob. Doch es wurde auch klar, dass sich internationale Entwicklungszusagen und Vorgaben des schwarz-gelben Koalitionsvertrags nicht verwirklichen lassen. Am heutigen Donnerstag ist Niebel genau ein Jahr im Amt.

Nachdem Niebel erklärt hatte, dass er nicht Chef eines Weltsozialamts, sondern des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sei, stürzte er sich in die Arbeit. Mittlerweile jongliert der ehemalige FDP-Generalsekretär souverän mit entwicklungspolitischen Fachtermini, hat rund 30 Länder bereist und die militärische Kopfbedeckung zu seinem Markenzeichen entwickelt.

Einheitlicher deutscher Auftritt

Von dem Minister, der zuvor nichts mit Entwicklungspolitik am Hut hatte, hätte wohl auch niemand erwartet, dass er die Reform der staatlichen Entwicklungshilfe so schnell und geräuschlos über die Bühne bringen würde. Zwar ist die Fusion der drei Organisationen der technischen Entwicklungszusammenarbeit kein "epochaler Wechsel in der deutschen Entwicklungspolitik", wie Niebel triumphierend verkündet hat. Doch sie gibt dem Ministerium ein großes Stück Steuerungsfähigkeit zurück und bringt mehr Einheitlichkeit im deutschen Auftritt im Ausland.

Ein solch umsichtiges und diplomatisches Vorgehen lässt der Minister auf internationaler Bühne jedoch mitunter vermissen. Die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Ute Koczy, wirft dem 47-Jährigen vor, der Glaubwürdigkeit Deutschlands bei der Erfüllung internationaler Entwicklungszusagen zu schaden: "Niebel verhält sich wie ein Elefant im Porzellanladen."

Elefant im Porzellanladen?

Tatsächlich rückte der Minister erst mehr Geld für den globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria heraus, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutsche Unterstützung zugesichert hatte. Freimütig bezeichnet der Heidelberger auch die internationale Verpflichtung, 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung bis 2015 in Entwicklungshilfe fließen zu lassen, als "sportliche Aufgabe". Seine Kritiker aus Hilfswerken kanzelt Niebel dabei schroff als "Alt-68er" ab, "die immer noch meinen, eine Schüssel Hirse würden den Armen in der Welt nachhaltig helfen".

Dahinter steht auch die Skepsis des FDP-Politikers vor Entwicklungszusammenarbeit durch multinationale Organisationen. Wie im Koalitionsvertrag festgelegt, will Niebel die bilaterale zulasten der multilateralen deutschen Hilfe deutlich erhöhen. Doch eine solche öffentlichkeitswirksame Entwicklungshilfe unter deutscher Flagge lässt sich nur bedingt realisieren. "Aufgrund der knappen Haushaltsmittel und der internationalen Verpflichtungen Deutschlands ist dieses Ziel schwer erreichbar", räumt selbst der entwicklungspolitische Sprecher des Koalitionspartners CDU, Holger Haibach, ein.

Wirtschaft soll profitieren

Ulrich Post, Vorsitzender des Verbandes Entwicklungspolitik, konstatiert, dass sich die Rolle des Entwicklungsministeriums seit Niebels Amtsantritt gewandelt habe. "Der Minister versteht sich nicht mehr als Anwalt der Armen." Vielmehr dominierten deutsche Eigeninteressen die Entwicklungspolitik stärker als bisher. Von der deutschen Hilfe solle möglichst auch die deutsche Wirtschaft profitieren. Und wenn Deutschland am Hindukusch verteidigt werde, müssten dies sogar nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen unterstützen, kritisiert Post, der über seinen Verband mehr als 100 kirchliche und private Organisationen vertritt.

Effiziente und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit könne aber nur gelingen, wenn alle Akteure "ohne ideologische Scheuklappen" zusammenarbeiteten, sagt der Entwicklungsexperte. "Wenn Bundesregierung, Kirchen, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen an einem Strang ziehen, lässt sich viel bewegen", sagt Post: "An die Schüssel Hirse glaubt längst keiner mehr."

epd