Auf das Wunder von Chile folgt ein langes Warten

Auf das Wunder von Chile folgt ein langes Warten
In Chile sind mehr als zwei Wochen quälender Ungewissheit zu Ende. 33 verschüttete Bergarbeiter leben. Das Land atmet auf und feiert erleichtert die frohe Botschaft. Für viele ist es ein Wunder.
24.08.2010
Von Helmut Reuter

Gold und Kupfer sollten sie holen - dann schloss der Fels sie in 688 Metern Tiefe ein. Selbst im Lager "Esperanza" nahe der Unglücksmine San José in Chiles Atacama-Wüste war die Hoffnung zuletzt gesunken. Familien und Freunde campieren dort seit dem Grubenunglück am 5. August, warteten verzweifelt auf eine Nachricht von den 33 verschütteten Bergarbeitern. Wochenlang herrschten Verzweiflung und Trauer. Am Sonntag kam dann die erlösende Botschaft: "Sie leben."

Immer wieder waren die fieberhaft arbeitenden Rettungsmannschaften trotz modernsten Gerätes mit ihren Versuchen gescheitert, Kontakt zu den Vermissten herzustellen. Zuletzt stellte sich ein riesiger, schätzungsweise 700.000 Tonnen schwerer Felsbrocken in den Weg. Dann aber gelang am Sonntag der Durchbruch. Eine winzige Bohrsonde fand ihren Weg durch einen etwa acht Zentimeter großen Schacht in den kleinen Schutzraum, in dem die 33 Männer seit nunmehr fast drei Wochen ausharren.

"Gott ist groß, mit seiner Hilfe werden wir es schaffen"

An der Erdoberfläche, brach einer stürmischer Jubel der Erleichterung aus, als Staatspräsident Sebastián Piñera vor den Angehörigen einen ersten in Klarsichtfolie verpackten Papierfetzen schwenkte, auf den die Männer in rot nur ein paar Worte gekritzelt hatten: "Uns geht es gut in dem Schutzraum - die 33." Lilian, die Ehefrau des verschütteten, bereits 63 Jahre alten Mario Gómez, wurde vom Bergbauminister Laurence Golborne selbst unterrichtet.

"Lili, dein Mann schickt dir eine Botschaft und sagt, dass er dich und die Kinder sehr liebt", habe der Minister ihr gesagt. "Ich konnte das Glück nicht fassen." Ihr Mann fährt schon seit dem zwölften Lebensjahr unter Tage. Beide sind seit 30 Jahren verheiratet, haben vier Töchter und sieben Enkelkinder. Mit soviel Bergbau-Erfahrung weiß man, wie lange es dauert, Verschüttete aus fast 700 Metern zurück ans Licht der Sonne zu holen.

"Gott ist groß und mit seiner Hilfe werden wir es schaffen, hier aus dieser Mine lebend rauszukommen, auch wenn wir Monate warten müssen", schrieb Gómez in seiner Nachricht, die nach dem ersten Lebenszeichen ans Tageslicht gezogen wurde.

Am Sonntag hat der Aufstieg begonnen

Mit dieser Einschätzung könnte er recht behalten. Zwar dürfte alle Arbeit an der rund 800 Kilometer nördlich Santiagos gelegenen Mine nun leichter von der Hand gehen, nachdem die Rettungskräfte wissen, dass die 33 leben. Doch geht selbst Piñera von Monaten aus, bis die Gold- und Kupfermine die Männer frei gibt. Die einzige Möglichkeit dürfte sein, sie durch einen vertikal nach unten getriebenen Schacht ans Tageslicht zu befördern. Gleich am Sonntag begannen die Bohrarbeiten für einen Kanal mit einem größeren Durchmesser.

Durch den ersten Schacht hatten die Rettungsteams unmittelbar nach dem ersten Kontakt eine Mini-Kamera herabgelassen. Die Männer waren mit nackten Oberkörpern zu sehen. Dort unten ist sehr feucht und mit schätzungsweise 36 Grad auch sehr heiß. Verschwitzte Gesichter drängten sich vor die Kameralinse. Trotz der Misere leuchteten die Augen der Kumpel vor Hoffnung. Auch wenn sie vielleicht noch Monate in ihrem unterirdischen Verließ ausharren müssen: Am Sonntag hat der Aufstieg begonnen.

dpa