"Meine beiden Mütter sind meine Eltern"

"Meine beiden Mütter sind meine Eltern"
7.000 Kinder leben bei schwulen oder lesbischen Paaren. Sie stammen meist aus früheren heterosexuellen Beziehungen. Ein gemeinsames Adoptionsrecht haben homosexuelle Paare nicht.
06.08.2010
Von Michael Ruffert

In der Schule hört Friderike "manchmal, aber sehr, sehr selten" einen blöden Spruch. "Ey, bist du schwul oder was?", ruft ihr dann ein Mitschüler zu. "Ich sage dann, dass es keine Beleidigung ist, schwul zu sein", schreibt die zwölfjährige Schülerin der Berliner Gemeinschaftsschule im Kindermagazin "Dein Spiegel". Sie geht offen damit um, dass sie "zwei Mütter" hat. "Meine Mama heißt Constanze, sie hat mich zur Welt gebracht, und zu meiner anderen Mutter sage ich Claudi", berichtet das Mädchen.

Das Leben einer Großfamilie

Friderike lebt in Berlin in einer sogenannten Regenbogenfamilie: Darunter versteht man schwule oder lesbische Paare mit Kindern. Die beiden Mütter von Friderike, "ihre Eltern", wie sie schreibt, haben eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Ihre leibliche Mutter, Constanze Körner (36), war erst mit einem Mann verheiratet, dann hat sie sich in ihre jetzige Partnerin verliebt.

"Als Friderike und ihr Zwillingsbruder ein Jahr alt waren, habe ich mich von meinem damaligen Mann getrennt", erzählt sie. Inzwischen lebt sie mit ihrer Partnerin zusammen. Die beiden haben noch einen gemeinsamen vierjährigen Sohn, den die Partnerin zur Welt brachte. Das Kind wurde durch eine Samenspende gezeugt. "Der Vater ist ein schwuler Freund", erzählt Constanze: "Das Zusammenleben klappt gut." Man fahre gemeinsam in den Urlaub, lebe das Leben einer Großfamilie. Friderike besuche auch regelmäßig ihren leiblichen Vater in Brandenburg, bei dem auch eine 14-jährige weitere Tochter von Constanze Körner aus der Ehe lebt.

7.000 Kinder leben in Regenbogenfamilien

In ganz Deutschland leben nach Schätzungen rund 7.000 Kinder in Regenbogenfamilien mit schwulen oder lesbischen Paaren. Die meisten der Jungen und Mädchen stammen aus früheren heterosexuellen Beziehungen, einige aus Adoptionen. Eine vom Bundesjustizministerium im Juli vergangenen Jahres vorgestellte Studie ergab, dass bislang die meisten Regenbogenfamilien, rund 93 Prozent, von Müttern geführt werden. Zwei Drittel der Familien haben nur ein Kind, mehr als zwei Kinder sind noch die Ausnahme.

Constanze Körner berät heute selber beim Lesben- und Schwulenverband in Berlin-Brandenburg homosexuelle Paare, die einen Kinderwunsch haben. "Nach Umfragen will jede dritte lesbische Frau und jeder fünfte schwule Mann gerne mit Kindern zusammenleben", erzählt sie. Sie informiert alleine für Berlin-Brandenburg jedes Jahr rund 400 bis 500 schwule oder lesbische Paare über die Rechtslage und verschiedene Formen des Zusammenlebens in Regenbogenfamilien.

Gemeinsames Adoptionsrecht gefordert

Die Akzeptanz von Regenbogenfamilien sei in den vergangenen Jahren gestiegen, erzählt sie. Fälle von Diskriminierung gebe es aber weiterhin. In ganz Deutschland haben sich deshalb sogenannte Ilse-Gruppen gegründet, Kürzel für "Initiativen lesbischer und schwuler Eltern". Sie setzen sich dafür ein, dass lesbische oder schwule Paare als Familie mit allen Rechten und Pflichten anerkannt werden, wenn sie Eltern sind. "Das bedeutet ein gemeinsames Sorgerecht", fordert die Initiative. Denn bislang ist in einer lesbischen Partnerschaft nur die gebärdende Frau offiziell als Mutter anerkannt, ihre Partnerin muss das Kind erst adoptieren.

Seit Januar 2005 ist diese "Stiefkindadoption" möglich. Zusammen dürfen schwule oder lesbische Paare aber immer noch kein Kind adoptieren. Die Ilse-Gruppen fordern deshalb ein gemeinsames Adoptionsrecht für homosexuelle Lebenspartnerschaften.

Für Friderike ist klar, dass sie zusammen mit Mama, Claudia und ihren zwei Brüdern in einer Familie lebt. "Ich bin auf jeden Fall gern mit meinen Eltern zusammen und glücklich", schreibt sie. Wenn sie in der Schule ihre Situation erkläre, "verstehen es die meisten, und eigentlich hat noch nie einer doof reagiert". Es sei aber auch gut, andere Regenbogenfamilien zu kennen, denn, so Friderike, "es gibt ganz schön viele".

epd