Die Bahn, mein Handy und das Deutsche Museum

Die Bahn, mein Handy und das Deutsche Museum
Was haben die Deutsche Bahn und die Telekom gemeinsam? Sie gehörten mal dem Staat und tun sich - vielleicht deshalb - noch immer mit dem Service schwer. Unser Kolumnistin kann ein Lied davon singen.
30.07.2010
Von Ursula Ott

Brauchen Bahnfahrer ein iPhone? Diese Frage stelle ich mir jeden Montag um 8.44 Uhr in Köln Deutz. Da fährt mein Pendlerzug nach Frankfurt, aber meistens fährt er eben nicht. Zu spät oder betriebsgestört oder gar nicht. Jedenfalls stelle ich mir jeden Montag dieselbe Frage: soll ich jetzt – bei hochsommerlichen Temperaturen – zurück zum Kölner Hauptbahnhof spurten, über die Hohenzollernbrücke mit meinem Trolley? Zu anstrengend. Soll ich, Treppe hoch, S-Bahn, Treppe runter, zum Hauptbahnhof zurück fahren? Nur um dort festzustellen, dass auch der 8.55er nach Frankfurt verspätet ist?

Menschen mit iPhone haben eine Bahn-App. Die wissen Bescheid. Ich habe ein fünf Jahre altes Nokia-Handy, mit Tesa repariert, und einen Laptop. Aber ich klappe ja nicht wegen einer Bahnauskunft am Bahnsteig den Laptop aus. Also rufe ich – ganz altes Deutschland – montags meist vom Deutzer Bahnhof aus meinen Freund an, der guckt im Büro in seinem Computer, ob der andere Zug pünktlich ist, dann düse ich los. Ich gebe zu, das ist im digitalen Zeitalter etwas entwürdigend.

Erstmal die Bürotür zumachen

Ich brauche ein iPhone! Also rufe ich, von meinem alten Nokia-Handy aus, bei T-Mobile an. 2202, die kostenlose Servicenummer. Warteschleife. "Sie können mich behandeln wie einen Berater", sagt die Computerstimme, und ich muss jetzt erstmal die Tür im Büro zumachen. Denn nichts ist peinlicher, als vor Kollegen am Telefon Vokabeln zu brüllen wie "Vertrag!", "nein!", "einverstanden!" Wir sind zwar ein christliches Haus mit viel Verständnis für Minderheiten – aber ich will trotzdem nicht, dass die Kollegen mich für gestört halten.

Irgendwann kommt ein richtiger Mensch ans Telefon und will meine SIM-Kartennummer wissen. Oh je. Ich kann ihm ja schlecht sagen, dass mein altes Handy mit Tesa verklebt ist und ich mindestens eine Nagelfeile brauche, um da die SIM-Karte rauszufummeln. Ich bitte den Berater um Geduld, mache die Bürotür wieder auf, brülle in den Flur: "Kann mal einer helfen?" - und finde einen netten Kollegen, der mit einer Büroklammer mein altes Handy aufbiegt. Nicht ohne charmant anzumerken, Handys dieser Generation könne man im Deutschen Museum abgeben. Aber, ph, ich habe ja bald ein iPhone.

Wie viele Gigabite, fragt der Berater. Hm, ich brauche es ja eigentlich nur Montag früh am Bahnhof, aber das kann ich auch schlecht zugeben. Ich finde, 8 GB klingt gut, ein iPhone 3, alles andere ist mir eh zu kompliziert. Hauptsache, ich kann meine alte SIM-Karte ins neue Handy stecken und es kommt bald hier an. Am nächsten Tag habe ich eine E-Mail: Es fehlen noch wichtige Angaben, so könne mein neues iPhone leider nicht verschickt werden.

Nein, ich will keine neue Nummer!

Ich rufe die angegebene Hotline an, in der Warteschleife sagt diesmal niemand, wie man ihn behandeln soll. Sondern die Computerstimme entschuldigt sich, dass sie das iPhone 4 vorerst nicht verschicken kann. Hilfe! Das habe ich doch gar nicht bestellt. Aber es ist ein Standardspruch. Dann kommt ein echter Mensch. Der will meinen Geburtstag wissen und erwähnt beiläufig, dass ich ja jetzt einen ganz neuen Vertrag mit einer ganz neuen Nummer abgeschlossen habe. NEIN!!! Ich will keine neue Nummer. Das kann man nun gar nicht mehr ändern, sagt der Berater, das iPhone sei schon unterwegs mit neuem Vertrag. Hä? Ich dachte, ohne meinen Geburtstag kann es nicht verschickt werden?

Ich werde jetzt ziemlich laut. Mir doch egal, was die Kollegen denken. Ich überlege kurz, ob ich den Berater auch so behandeln darf wie mein Handy. Mit Tesa verkleben und an die Wand werfen. Aber vorerst wird es einfach so sein: Das mit dem iPhone, das dauert noch ganz lange. Ich werde nächsten Montag wieder vom Bahnhof aus meinen Freund anrufen. Ich behalte das verklebte Nokia-Handy. Und das Deutsche Museum kann warten.


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de.

Neu im Buchhandel: Ursula Ott: "JA TOLL - Geschichten, die immer nur mir passieren", erhältlich im chrismon-shop!

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