Elektronische Fußfesseln für entlassene Sicherungsverwahrte

Elektronische Fußfesseln für entlassene Sicherungsverwahrte
Müssen gefährliche Täter nach dem europäischen Urteil aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden? "Ja", sagen einige Oberlandesgerichte - "Nein", sagen andere. Nun tritt ein neues Gesetz in Kraft, das die Rechtsprechung vereinheitlichen soll.

Das Bundesjustizministerium strebt für Täter, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, eine Überwachung mit elektronischen Fußfesseln an. Der parlamentarische Staatssekretär Max Stadler (FDP) kündigte am Donnerstag in den ARD-"Tagesthemen" an, mit einer Satelliten gestützen Überwachung sollten künftig entlassene Strafgefangene überwacht werden, die eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen könnten.

Für die kommende Woche habe Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu einem Fachgespräch mit Vertretern aus den Ländern eingeladen, in dem über das weitere Vorgehen beraten werde. Es gehe darum, die Führungsaufsicht über entlassene Straftäter zu verstärken und zu verbessern, sagte Stadler.

Täter wollen Freilassung durchsetzen

Im Dezember hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschieden, dass eine Sicherungsverwahrung, die zunächst auf zehn Jahre begrenzt war, nicht rückwirkend verlängert werden kann. Von diesem Urteil sind eine ganze Reihe von Tätern betroffen, die nun gerichtlich ihre Freilassung durchsetzen wollen.

Nun muss der erste Fall, mit dem ein OLG nach dem Inkrafttreten des Gesetzes befasst ist, dem Bundesgerichtshof (BGH) vorgelegt werden. Dieser soll dann eine Grundsatzentscheidung treffen, die verbindlich für die nachfolgenden Fälle ist. "Es geht darum, einen Flickenteppich zu vermeiden, da unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen", sagte ein Ministeriumssprecher.

"Sehr schwierige Gruppe von Personen" betroffen

Der Kriminalpsychologe Prof. Rudolf Egg erklärte, dass die Gefährlichkeit der Schwerverbrecher, die aus der Sicherungsverwahrung freikommen, möglicherweise überschätzt wird. "Denn es handelt sich da ja nicht um junge, kräftige Männer, sondern zum Teil um doch schon sehr betagte und jedenfalls jahrelang im Gefängnis lebende Personen", sagte der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa.

Die Gefährlichkeit eines Schwerverbrechers vorherzusagen, sei aber enorm schwierig, räumte Egg ein. "Jemanden in Unfreiheit zu beurteilen, wie er sich in Freiheit verhalten wird, wenn er schon so lange drinnen war, ist nicht so ganz einfach." Es sei eine "sehr schwierige Gruppe von Personen", die von dem EGMR-Urteil betroffen sei.

Unterschiedliche Umsetzung an Gerichten

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betonte, das EGMR-Urteil könne nicht mehr geändert werden. "Die deutschen Gerichte müssen es beachten und umsetzen." Allerdings entschieden bis zum 23. Juni vier OLG, dass die Täter freizulassen seien. Fünf OLG urteilten dagegen, dass sie weiter eingesperrt bleiben müssen.

Bei der Sicherungsverwahrung bleiben als hochgefährlich geltende Täter auch nach der Haft eingesperrt. Die Bundesregierung strebt eine Reform der Sicherungsverwahrung an. Leutheusser-Schnarrenberger will, dass die Maßnahme nicht mehr nachträglich angeordnet werden kann. Sie soll es nur noch geben, wenn sie schon im Urteil - zumindest vorbehaltlich - vorgesehen war.

Gegen diese Pläne laufen Rechs- und Innenpolitiker der Union Sturm. Wie der "Tagesspiegel" und die "Passauer Neue Presse" (beide Freitag) berichten, vereinbarten sie bei einem Treffen am Donnerstag, an der nachträglichen Sicherungsverwahrung festhalten zu wollen.
 

dpa