Urteil: Verfassungsschutz darf Linkspartei beobachten

Urteil: Verfassungsschutz darf Linkspartei beobachten
Der Linken-Politiker Ramelow ist empört, dass er und andere Abgeordnete seiner Partei vom Verfassungsschutz bespitzelt werden. Nun kämpfte er vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Überwachung - ohne Erfolg. Alles rechtens, beschieden die obersten Verwaltungsrichter des Landes, weil der Verfassungsschutz nicht geheim gespitzelt, sondern nur öffentliche Quellen genutzt habe.

Erst hat er während der Verhandlung aufgebracht dazwischengeredet, nun ist Bodo Ramelow völlig außer sich: "Ich hab so bisschen das Gefühl, dass meine Kölner Fürsorgebehörde den Kalten Krieg noch nicht beendet hat!", schimpft der Thüringer Linksfraktions-Vorsitzende in einem ausführlichen Statement zum Schluss der Verhandlung am Leipziger Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch. Mit der Kölner Fürsorgebehörde meint er den Bundesverfassungsschutz, der ihn seit langem beobachtet. Zwei Gerichte haben dies bereits als rechtswidrig eingestuft. Nun fährt ihm das Bundesverwaltungsgericht allerdings in die Parade.

Die Bundesrichter urteilten, dass alle Linken-Spitzenpolitiker vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürften, da es in der Partei extremistische Strömungen gebe. Sie sind zwar der Ansicht, dass die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten "erhebliche Gefahren im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit" und auf die Mitwirkung der betroffenen Parteien an der politischen Willensbildung berge. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe sich aber auf eine offene Beobachtung beschränkt und den Kern der parlamentarischen Arbeit Ramelows ausgenommen. Die Beobachtung sei verhältnismäßig und angemessen gewesen.

Beobachtungsgrund: Extremistische Strömungen in der Partei

Zu seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter 2005 bis 2009 seien alle 53 Parlamentarier der Linksfraktion einzeln von den Kölnern beobachtet worden, berichtet der Politiker vor der Verhandlung in Leipzig. "Das ist ein eindeutiger Skandal!" Außer ihm haben noch weitere Kollegen dagegen geklagt, aber dieser Fall liegt noch beim Verwaltungsgericht Köln.

Die Verfassungsschützer begründen die Überwachung mit der Furcht vor der Rückkehr des Sozialismus. Linksextremistische Gruppen, die für die Diktatur des Proletariats schwärmten, hätten einen großen Einfluss auf die Partei und damit möglicherweise auch auf Ramelow, argumentieren sie.

Der Berichterstatter des 6. Senats am Bundesverwaltungsgericht blickt bei der Frage, wie unantastbar das freie Mandat von Abgeordneten sein muss, noch tiefer in die Geschichte zurück und fragt: Hätte sich die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 verhindern lassen, wenn damals schon Verfassungsschützer die Abgeordneten überwacht und damit radikale Tendenzen rechtzeitig erkannt hätten?

Nur offene Beobachtung, keine geheime Spitzelei

Die Schlapphüte haben ihren Angaben zufolge Ramelow nicht mit geheimen Mitteln bespitzelt - also mit "Wanzen" oder V-Männern -, sondern nur Material gesammelt, dass für jeden zugänglich ist: Artikel in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet sowie Pressemitteilungen. Dabei habe sich einiges "Interessantes" gefunden, sagt der Verfassungsschutz-Anwalt Wolfgang Roth - und verwahrt sich in sachlich-ruhigem Ton gegen die Verhöhnung seiner Mandanten als Kölner Fürsorgebehörde.

Als Indiz für eine verfassungsfeindliche Einstellung Ramelows nennt der Anwalt Flugblätter für eine PKK-Demonstration mit der Unterschrift des Links-Abgeordneten. Dieser entgegnet entrüstet, er habe auf dieser Demo für einen Friedensprozess in der Türkei unter Einbeziehung der PKK aufgerufen - und habe sich natürlich auch dazu geäußert, dass diese Menschenrechte verachte. "Ich werbe für Maßstäbe! Man hat das Gefühl, dass hier um einen linksextremistischen Kampf geht", sagte er.

dpa