Nach Missbrauchsfall: Bischöfin Maria Jepsen zurückgetreten

Nach Missbrauchsfall: Bischöfin Maria Jepsen zurückgetreten
Die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen ist von ihrem Amt zurückgetreten. Das gab sie am Freitag auf einer Pressekonferenz in Hamburg bekannt. Jepsen zog damit die Konsequenz aus zunehmender Kritik an ihrem Umgang mit einem Missbrauchsfall in der nordelbischen Landeskirche. Die 65-Jährige Jepsen war die erste lutherische Bischöfin weltweit.

"Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt. Von daher sehe ich mich nicht in der Lage, die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie ich es bei meiner Ordination und bei meiner Bischofseinführung vor Gott und der Gemeinde versprochen habe", sagte Jepsen. Die 65-Jährige wirkte äußerlich gefasst, aber verbittert. Fragen der Journalisten waren nach ihrer kurzen Erklärung nicht gestattet.

"Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg" - an diesem Psalmvers, meinem Konfirmationsspruch, orientiere ich mich, trotz der Äußerungen in den Medien, die mir Schlimmes unterstellen", sagte die Bischöfin in ihrer Rücktrittserklärung. Jepsen war im April 1992 zur Bischöfin von Hamburg und damit zur ersten evangelisch-lutherischen Bischöfin der Welt gewählt worden.

Unterschiedliche Darstellungen

"Vertrauensvolle Zusammenarbeit ist mir immer von großer Bedeutung gewesen. Ohne Ehrlichkeit und Offenheit hätte ich meinen Dienst nicht tun können und wollen. Ich habe mich verstanden als eine leitende Geistliche, der für die eigene Nordelbische Kirche und für die Ökumene Verantwortung übertragen wurde", sagte Jepsen. "Ich erwarte, dass die Missbrauchsfälle in Ahrensburg und anderswo zügig aufgeklärt werden und die Wahrheit ans Licht kommt."

Nach Jepsens früherer Darstellung in Medien war sie nur über eine Affäre des Pastors mit einer Frau informiert worden. "Das Wort Missbrauch ist nie gefallen, da wäre ich unruhig geworden", sagte sie in einem Interview. Am Freitag veröffentlichte das "Hamburger Abendblatt" die eidesstattliche Versicherung einer Zeugin, die Jepsen bei einer flüchtigen Begegnung während eines Kongresses 1999 in Lübeck über die Vorfälle informiert haben will. Der Pastor wurde 1999 versetzt, 2001 ging er in den Ruhestand.

Erste Bischöfin weltweit

Anfang April 1992 war Maria Jepsen im Hamburger Michel zur weltweit ersten evangelisch-lutherischen Bischöfin gewählt worden. Diese Sonderstellung behielt sie in Deutschland sieben Jahre lang: Erst 1999 wurde Margot Käßmann in Hannover als zweite Frau Bischöfin.

Jepsen und Käßmann verbindet jetzt auch das abrupte Ende ihrer Karriere als Bischöfin: Jepsen trat am Freitagnachmittag von ihrem Amt zurück. Sie war wegen Missbrauchsvorwürfen gegen einen Pastor ihrer Kirche und ihrem Umgang mit den Vorwürfen in die Kritik geraten. Käßmann war Ende Februar von allen kirchlichen Leitungsämtern zurückgetreten. Sie zog damit die Konsequenz aus einer Fahrt unter Alkoholeinfluss.

Ratsvorsitzender bedauert Jepsens Schritt

Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat mit Bedauern auf den Rücktritt der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen reagiert. Jepsen sei die erste lutherische Bischöfin überhaupt und so auch die erste Frau gewesen, die ein Bischofsamt in der EKD bekleidet habe, erklärte der rheinische Präses am Freitag in Hannover. Er würdigte die Verdienste der Theologin für die Themen Mission und Ökumene sowie für die Schwachen in der Gesellschaft.

Schneider dankte Jepsen für die langen Jahre der Zusammenarbeit und wünschte ihr für die nächste Zeit "Gottes Segen und Geleit". Der Präses betonte das "nimmermüde Engagement" Jepsens für das Thema "Kirche und Israel". Dies zeige sich unter anderem in ihrer langjährigen Tätigkeit als Vorsitzende des Evangelischen Missionswerkes. Besonders dankte er ihr für die Mitarbeit im EKD-Rat von 1997 bis 2003 sowie für Jepsens Mitgliedschaft in der EKD-Synode.

Einsatz für Homosexuelle gewürdigt

Hervorzuheben sei auch ihr Engagement für die Rechte von Homosexuellen. So habe sie zwischen 1994 und 1996 die Orientierungshilfe zum Thema "Homosexualität und Kirche" vorbereitet, die der Rat unter dem Titel "Mit Spannungen leben" veröffentlicht hatte. Schneider: "Dass die evangelischen Kirchen in Deutschland nicht von den Spannungen um die ethische Bewertung der Homosexualität zerrissen worden sind und zerrissen werden, ist nicht zuletzt diesen Impulsen zu verdanken."

Ihre Wahl als Bischöfin "fand weltweit großen Widerhall und war ein bedeutsamer Moment in der Geschichte der Evangelischen Kirche in Deutschland", fügte Schneider hinzu. Die Wahl einer Frau in das Bischofsamt sei eine folgerichtige Konsequenz der ab der Mitte des 20. Jahrhunderts begonnenen Einführung der Frauenordination gewesen.

Auch der katholische Weihbischof im Erzbistum Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, bedauerte den Rücktritt der Bischöfin. Dieser Schritt bestätige ihre Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit, sagte Jaschke am Freitag in Hamburg. Sie habe Verantwortung dafür übernommen, dass die Kirche in dem Ahrensburger Missbrauchsfall nachlässig gewesen sei. "Es macht ihr Ehre, ihr Amt zur Verfügung zu stellen, aber sie wird uns sehr fehlen." Das Verhältnis zwischen Jepsen und Jaschke galt als besonders freundschaftlich und vertrauensvoll.

Junckermann respektiert Rücktritt

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Ilse Junckermann respektiert den Rücktritt der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass sie Täter bewusst gedeckt hat, gerade wegen ihres Einsatzes für die Schwachen, ich erinnere an ihre großes Engagement für Obdachlose, Aidskranke und Migranten", sagte Junckermann in Magdeburg. Als welterste lutherische Bischöfin habe sie mit erheblichen Widerständen kämpfen müssen.

Die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) hat sich schockiert über den Rücktritt von Bischöfin Maria Jepsen gezeigt. "Ich bin vollkommen von der Rolle", sagte Simonis der Nachrichtenagentur dpa. "Ich kenne Frau Jepsen sehr gut. Ich weiß, dass sie eine wirklich integre Frau ist, dass sie gekämpft hat für bestimmte Sachen, insbesondere für die Rechte der Frauen in der Kirche und außerhalb der Kirche."

Jepsen habe sie von ihrem Rücktritt nicht unterrichtet, sagte Simonis. "Ich hätte ihr auch davon abgeraten." Sie hoffe nicht, dass es zu noch mehr Rücktritten in der Kirche komme. "Kirche ist ja eigentlich die letzte Institution, an die die Menschen dann noch glauben, wenn alles schiefgeht. Wenn das jetzt so weiterginge, wird auch die Institution der Kirche genauso geschädigt, wie die Institution der Banken und der Politik."

Amtszeit hätte 2012 geendet

Am 19. Januar dieses Jahres war Jepsen 65 Jahre alt geworden. Ihre Amtszeit wäre eigentlich erst im Sommer 2012 zu Ende gegangen. 1945 in Bad Segeberg geboren, studierte sie nach dem Abitur Altphilologie und Theologie in Tübingen, Kiel und Marburg. Von 1972 bis 1990 war sie Pastorin im schleswig-holsteinischen Meldorf und Leck, 1991 übernahm sie im damaligen Kirchenkreis Harburg als erste Frau in Nordelbien das Propstamt.

Als Prinzip ihres Amtsstil bezeichnete sie ihre persönliche Präsenz. "Sprachfähig sein und zuhören können - das ist mir wichtig", sagt sie. Fast 18 Jahre lang war sie Bischöfin, mehr als ein Viertel ihrer Lebenszeit und länger als alle andere evangelischen Bischöfe in Deutschland. Stets sucht sie das direkte Gespräch. Sozialen oder diakonischen Einrichtungen, Gruppen an der Kirchenbasis, Aidshilfe, Hospizen, Kitas, Krankenhäusern oder Obdachlosenunterkünften galt ihr besonderes Engagement: Kirche müsse auch "Stimme der Stummen sein".

Auch in der Ökumene und im interreligiösen Gespräch komme es darauf an, direkt miteinander zu reden, nicht übereinander, war Jepsen überzeugt. "Wie Kinder fromm und fröhlich sein", beschreibt Jepsen ihr Lebensmotto.

epd/dpa