Pfandbons unterschlagen: Fall "Emmely" wieder vor Gericht

Pfandbons unterschlagen: Fall "Emmely" wieder vor Gericht
Mit Spannung wird am Donnerstag die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Fall "Emmely" erwartet: Die Kassiererin eines Supermarkts soll Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen haben, weswegen ihr ihr Arbeitgeber fristlos kündigte. Diese sogenannten Bagatellkündigungen sorgten in jüngster Zeit immer wieder für Aufsehen.

Die Verlierer im Streit über die fristlose Kündigung der Kassiererin "Emmely" wegen unterschlagener Pfandbons stehen eigentlich schon fest. Die berufliche Existenz von Barbara E., genannt "Emmely", ist seit der Kündigung durch ihren Arbeitgeber, die Kaiser's Tengelmann AG, ruiniert. Die wegen des Verfahrens mittlerweile bundesweit bekannte 52-Jährige muss von Hartz IV leben und hat keine Aussicht auf eine neue Anstellung. Aber auch die Supermarktkette muss mit einem enormen Rufschaden leben. (AZ: 2 AZR 541/09)

Sie hat "Emmely", trotz ihrer 31-jährigen beanstandungslosen Betriebszugehörigkeit, wegen des Verdachts der Unterschlagung von zwei Pfandbons im Wert von nur 1,30 Euro sofort entlassen. Eine Abmahnung gab es nicht. Am Donnerstag wird nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt das letzte Wort über die Rechtmäßigkeit der Kündigung sprechen.

Stein des Anstoßes waren zwei Leergutbons in Höhe von 48 und 82 Cent, die ein Kunde offenbar verloren hatte. Barbara E. hatte diese im allen Mitarbeitern zugänglichen Kassenbüro deponiert. Nach zehn Tagen löste die Kassiererin zwei identische Pfandbons für sich ein. Nach mehreren Anhörungen wurde ihr daraufhin fristlos gekündigt. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sie die Leergutbons vorsätzlich unterschlagen habe, führte der Arbeitgeber an.

Gericht erkennt starke Verdachtsmomente

"Emmely" bestritt dies. Es sei möglich, dass ihre Tochter gleich hohe Pfandbons in ihr Portemonnaie gelegt oder Kollegen ihr die Bons untergeschoben haben. Vielleicht sollte sie mit der Kündigung abgestraft werden, weil sie Streiks mit organisiert hatte.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) hielt in seinem Urteil vom 24. Februar 2009 die Verdachtskündigung für begründet (AZ: 7 Sa 2017/08). Zeugenaussagen und widersprüchliche Angaben von Barbara E. wiesen auf eine Unterschlagung der Pfandbons hin. Die starken und begründeten Verdachtsmomente hätten das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört, entschied das Gericht.

Barbara E. habe sich "einen Vermögensvorteil in Höhe von 1,30 Euro verschafft, der ihr nicht zustand". Gerade als Kassiererin sei dies als besonders schwere Pflichtverletzung zu werten, so dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Auf den geringen Wert des Diebstahls komme es auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht an.

Harsche Kritik

In der Öffentlichkeit stieß das Urteil auf harsche Kritik. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) bezeichnete die Entscheidung als "barbarisches Urteil von asozialer Qualität". Auch Gewerkschaften sehen in Verdachtskündigungen nach vermeintlichen Bagatelldiebstählen einen Missstand.

Gewerkschafter, Betriebs- und Personalräte aus 16 Bundesländern haben im Fall "Emmely" einen Solidaritätsappell unterzeichnet. Mit den Instrumenten der Verdachts- und der Bagatellkündigung würden vor allem unbequeme und aufmüpfige Beschäftigte schikaniert und aus den Betrieben entfernt, heißt es in dem Appell des "Komitees 'Solidarität für Emmely'".

In dem Fall ließ das BAG die Revision nun zu. Der 2. Senat wird damit seine bisherige Rechtsprechung zu Verdachtskündigungen und Bagatelldiebstählen erneut überprüfen.

epd