Indonesien: Mit Gottesfurcht gegen das Rauchen

Indonesien: Mit Gottesfurcht gegen das Rauchen
Die tödlichen Folgen des Rauchen sind in Indonesien kein Thema - zu groß die Tabakindustrie und die Lobby. Der Fatwa-Rat der Muhammadiyah erklärt das Rauchen für Muslime nun als verboten.
28.05.2010
Von Christiane Oelrich

Mit Gottesfurcht gegen das Rauchen - das ist das Rezept der zweitgrößten muslimischen Massenorganisation in Indonesien. Der Fatwa-Rat der Muhammadiyah hat das Rauchen jetzt als "haram" erklärt - als für Muslime verboten, wie Schweinefleisch und Alkohol. Sie hofft, dass das die Raucher unter den rund 30 Millionen Mitgliedern der Organisation auf den Pfad der Gesundheit führt.

Tabak-Konvention WHO nicht ratifiziert

"Wir haben seit 1993 darüber diskutiert", sagt H.A.F. Wibisono (52), Universitätsrektor in Jakarta und Leiter des Fatwa-Rates der Muhammadiyah. Er raucht seit den 80er Jahren nicht mehr, sagt er. "Die Entscheidung fiel, weil immer deutlicher wird, dass Rauchen nicht nur Lungenprobleme verursacht, sondern auch vieles anderes; Diabetes, Herzkrankheiten, Krebs."

Die tödlichen Folgen des Rauchens sind in Indonesien kaum ein Thema. Die größte Volkswirtschaft Südostasiens hat eine eigene Tabakindustrie "und eine einflussreiche Lobby", wie Wibisono sagt. Anders als seine Nachbarn - und weltweit 168 Länder - hat es die Tabak-Konvention (FCTC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht ratifiziert. Zigarettenreklame prangt überall, ein Päckchen kostet keine 75 Cent, die Steuern liegen bei gut einem Cent pro Glimmstängel - in Deutschland ist es mehr als das Zehnfache. Die Folge: Nach WHO-Angaben konsumieren 66 Prozent der Männer Tabak.

Rasanter Zuwachs an jungen Rauchern

Die indonesische Verbraucherzentrale hat die Regierung deshalb verklagt. "Weil sie ihre Aufgabe vernachlässigt, das Wohl des Volkes zu wahren", sagt Tabak-Experte Tulus Abadi. Er hat einen Freund mit Lungenkrebs, und einen weiteren mit Kehlkopfkrebs, der nur noch durch ein Röhrchen atmen kann. "Wir wollen ein umfassendes Gesetz, das die Tabakwerbung verbietet, die Steuer drastisch erhöht, und auf den Zigarettenpackungen ekelerregende Fotos zeigt", sagt er.

Besonders alarmierend: In keinem Land der Welt wächst die Zahl der jungen Raucher so rasant wie hier, sagt Abadi. Unter den 15- bis 19- Jährigen nahm das Rauchen innerhalb von zehn Jahren um 139 Prozent zu, bei jungen Frauen sogar um 600 Prozent. Er ist überzeugt, dass dieser Trend nur mit einem Werbeverbot gestoppt werden kann.

"Es geht nicht nur um Religion, sondern auch um Wirtschaft"

Nach Angaben des Tabakbauernverbandes (APTI) gibt es 700.000 Tabakbauern im Land. Die Industrie produziert 245 Milliarden Zigaretten, mehr als 1.000 pro Mann, Frau und Kind. Daraus fließen 54 Billionen Rupien - rund 4,6 Milliarden Euro - in die Staatskassen, gut sechs Prozent der Gesamteinnahmen. Das Industrieministerium lamentiert, dass die Exporte nur noch um 15 statt 18 Prozent im Jahr wachsen. "Es wird immer schwieriger, Absatzmärkte zu finden", meinte der zuständige Direktor, Warsono, unlängst. Selbst Religionsminister Suryadharma Ali kritisiert die Fatwa: "Hier geht es ja schließlich nicht nur um Religion, sondern auch um die Wirtschaft", meinte er.

Deshalb tut die Regierung sich so schwer mit Schranken für die Tabak-Industrie, und ist auch taub für Abadis Argumente. "Wenn weniger geraucht würde, würde die Armut sinken, weil die Menschen mehr Geld für anderes haben, der Staat würde sparen, weil die Kosten für die Krankenversorgung sinken würden", sagt er. Nach seiner Statistik geben die ärmeren Haushalte 22 Prozent des Einkommens fürs das Laster aus - mehr als für Reis, das wichtigste Nahrungsmittel.

"Was kommt als nächstes: Einschränkung der Religionsfreiheit?"

Abadi findet Muhammadiyahs Fatwa hervorragend. "Mein Cousin hat mehrfach versucht, mit dem Rauchen aufzuhören und es nie geschafft. Mit der Fatwa fürchtet er jetzt um sein Seelenheil", sagt er. Dabei ist die Organisation ganz zurückhaltend. "Sanktionen gibt es nicht, wenn jemand etwas tut, das "haram" ist, muss er das selbst mit Allah ausmachen" sagt Wibisono. "Wir sind ja keine Fanatiker, wir empfehlen nur, gesünder zu leben."

Mancher Raucher sieht aber finstere Mächte am Werk. "Was ist die größere Bedrohung: indirekter Rauch oder die Abschaffung individueller Rechte?" schrieb ein empörter Leser in der "Jakarta Post". "Was kommt als nächstes: Einschränkung der Religionsfreiheit? Pressefreiheit? Redefreiheit? Vorsicht, heute sind die Raucher dran, morgen bist DU dran!"

dpa