Der Efeu-Krieg

Der Efeu-Krieg

Der Mann und ich, wir pflegen eigentlich eine sehr harmonische Beziehung. Die wenigen Reibungspunkte, die es gibt, lassen sich in der Regel durch Argumente oder Kompromisse lösen, und falls es doch einmal kracht, hält die schlechte Stimmung nicht lange vor. Bei einem Thema jedoch finden wir keine Übereinkunft: Wenn es um Efeu geht, haben wir diametral entgegengesetzte Meinungen –auf denen wir jeweils stur beharren.

Ich halte die immergrüne Kletterpflanze für ein Allround-Talent: Efeu ist für die ideale Lösung für schattige Mauern und unansehnliche Zäune. Er wächst so gut wie überall, ohne dass er besonderer Pflege bedürfte. Er kann beeindruckende demografische Daten vorweisen: 20 Meter hoch, 450 Jahre alt kann Hedera helix laut Wikipedia werden. Er verwandelt schäbige Fassaden in sattgrüne Augenweiden. Schon die alten Griechen verehrten ihn, Efeu galt als Gewächs der Götter und Musen, der Heiterkeit, der Freundschaft und des ewigen Lebens.

Das Beste aber: Efeu bietet Nahrung und Unterschlupf für zahlreiche Vögel und Insekten. Jetzt, im September und Oktober, wenn sich die anderen Blütenpflanzen verabschieden, bildet er seine Blüten. Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge finden auf diese Weise auch spät im Jahr noch Proviant. Wenn dann zwischen Januar und April –also dann, wenn die anderen Pflanzen noch Winterschlaf halten –die Beeren reif werden, tun sich Amseln, Stare, Ringeltauben, Mönchsgrasmücken und viele andere Gartenvögel an ihnen gütlich. Danach nutzen Rotkehlchen und Zaunkönige das dichte Blattwerk gern als Behausung. Kurz: Efeu ist in einem naturnahen wildlife garden unentbehrlich.

Jedenfalls meiner Meinung nach. Doch wenn ich das Wort ivy auch nur beiläufig erwähne, fängt der Mann umgehend an zu hyperventilieren: "Poisenous stuff, should be ripped out immediately." Okay, Efeu ist wirklich giftig, alle Pflanzenteile, Stengel, Blätter, Blüten. Aber schließlich soll er ihn auch nicht selbst essen, sondern den Vögeln und Insekten zur Verfügung stellen. Und die allergische Hautreaktion, die er angeblich bei Berührung der Pflanzen bekommt, spricht doch nur dafür, die Finger davon zu lassen.

"It grows all over the place, can't keep it under control...", ist das nächste Argument, dem ich dann entgegenhalte: Es gibt auch kleinwüchsige Arten, die anderen können durch regelmäßiges Zurückschneiden in Form gehalten werden. Von mir aus auch durch Handschuhe geschützt, wegen der Allergie, Sie verstehen.

Aber der Mann fährt unbeirrt fort: "...damages houses, kills trees."Quatsch, entgegne ich, die Efeuwurzeln setzen sich lediglich in bereits vorhandenen Spalten fest, sie schaffen keine neuen Beschädigungen in Putz oder Mauerwerk. Die Oxford University hat sogar in einer Studie herausgefunden, dass Efeu an Gebäuden als Dämmung fungiert : Er schützt Häuser vor Kälte ebenso wie vor Hitze, die Fassaden vor Schäden durch Frost und Luftverschmutzung. Und Efeu "erwürgt"auch keine Bäume, wie man es immer wieder hört. Lediglich wenn er zu schwer wird, kann sein Gewicht einen schwachen oder kranken Baum im Sturm umstürzen lassen.

Natürlich habe ich die besseren Argumente, was den Efeu betrifft. Leider perlen diese aber am Mann ab wie Wasser von einem Lotusblatt. Deshalb wache ich mit Argusaugen über die Hedera-Ranken, die den ansonsten nicht zu nutzenden Boden unter unseren (nebenbei erwähnt: nicht besonders ansehnlichen) Koniferen begrünen. Beim Rasenmähen fährt der Mann nämlich gern mal "aus Versehen"darüber. Aber zum Glück ist Efeu ja nicht so schnell totzukriegen.

Der Rosen-, äh, Efeu-Krieg geht weiter.

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