Harry Stork

Harry Stork

Bei meinem letzten Besuch in Hamburg vor ein paar Wochen hörte ich im Radio die Nachricht, dass in Norddeutschland bereits die ersten Störche eingetroffen seien. Schon am 1. Februar war ein Adebar in der Nähe von Lüneburg gesichtet worden. Während ich darüber nachgrübelte, was wohl der Grund für die bemerkenswert frühe Ankunft sein könnte, fiel mir auf, dass ich in England trotz zahlreicher Ausflüge in Naturreservate und Vogelschutzgebiete noch nie einen Storch gesehen habe.

Bei der Recherche stellte sich heraus: Mein Eindruck trügt mich nicht. Auch wenn Störche beim Pendeln zwischen Brut- und Überwinterungsgebieten Tausende von Kilometern zurücklegen und sie sich an der Nordseeküste sehr wohl fühlen – über den Kanal ins Königreich fliegen sie so gut wie nie. Einzige Ausnahme: Im Jahr 1416 versuchte ein Weißstorch, auf der Kathedrale im schottischen Edinburgh ein Nest zu bauen. Vermutlich fühlte er sich jedoch nicht sehr wohl, denn es blieb bei diesem einen Besuch.

Dann geschah offenbar 588 Jahre lang nichts mehr, jedenfalls nicht aus storchenbeobachterischer Sicht. Erst 2004 kam wieder Bewegung in die Sache, doch da es sich zumindest bei einem der beiden damals in West Yorkshire gesichteten Vögel um einen aus der (britischen?) Gefangenschaft entwischten Storch handelte, zählen diese nicht, finde ich.

Aber dann kam Harry. Woher der Harry, von dem hier die Rede ist, im letzten Jahr auftauchte, ist unbekannt (es darf jedoch vermutet werden, dass es weder Buckingham Palace noch Las Vegas war). Als idealen Ort für sein Nest wählte er das Dach eines Restaurants in unserem Nachbarort Mansfield in den Midlands aus.

Leider war und blieb Harry der einzige Ciconia ciconia Großbritanniens – was es selbst für einen Storch schwierig macht, für Nachwuchs zu sorgen. Weshalb wir bis zur nächsten Sichtung vermutlich wieder an die 600 Jahre warten müssen. Um die Sache zu beschleunigen, sollte ich vielleicht die Bedürfnisse der storks in meine Überlegungen zu einem wildlife-  und vogelfreundlichen Garten mit einbeziehen.

Aber dann steigt mir wahrscheinlich der Mann aufs Dach.

P.S.: Experten vermuten als Grund für die immer frühere Ankunft der Störche an ihren Brutplätzen in Deutschland… Faulheit. Denn viele Adebare machen sich nicht mehr die Mühe, bis nach Afrika zu fliegen, sondern bleiben den Winter über in Spanien. Das verkürzt die Flugzeit natürlich erheblich und reduziert zugleich die Gefahren. Der am 1. Februar bei Lüneburg gesichtete Storch hat vermutlich noch nicht einmal diese Strecke zurückgelegt – es wird angenommen, dass der Faulpelz im Elsass Station machte. 

P.P.S.: Bei meinen Nachforschungen habe ich diese wunderbare Webseite des NABU entdeckt: Mehrere mit Sendern ausgestattete Störche werden schon seit einigen Jahren auf ihren Reisen vom Norddeutschen Tiefland bis nach Südafrika begleitet.

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