And the winner is...

And the winner is...

…die Schnecke! Aus diesem an Rekorden reichen englischen (Garten-)Jahr sind die slugs als klare Sieger hervorgegangen. Sie profitierte am meisten vom Dauerregen, der im April begann und bis heute anhält, von kurzen Unterbrechungen abgesehen. Die Silbermedaille geht an Orchideen – auch sie mögen es gern feucht, und so kam es, dass der Bienen- und der Fliegen-Ragwurz in diesem Jahr auf der Insel außerordentlich gut gedieh. So wie die meisten Gartenpflanzen, denen der Regen gut gefiel. (Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie viele Hektoliter Wasser wir durch unserem neu angelegten Garten hätten schleppen müssen, wenn das trockene Wetter des letzten Winters angehalten hätte.)

Doch wo es Gewinner gibt, gibt es natürlich auch Verlierer. Und die waren bei Weitem in der Überzahl. Am schlimmsten hat es die Insekten getroffen. Kälte und Nässe ließen Bienen, Hummeln und Schmetterlinge verhungern, in manchen Gegenden hat das Wetter die ganze Population vernichtet. Mit ihnen, beziehungsweise wegen ihres Fehlens, litten auch die Vögel. Sie konnten ihre Jungen nicht ausreichend ernähren, mussten längere Strecken fliegen, um Futter zu finden und die Kleinen so noch länger den kalten Temperaturen aussetzen. Weshalb viele Nestlinge starben. Und wo keine Bienen, da auch keine Ernte – Obstbäume und andere Gewächse, die auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen sind, trugen extrem wenige Früchte in diesem Jahr.

Der Herbst brachte dann zwar noch ein paar warme Tage und schöne Laubfärbungen, aber weil die Wintervorräte selbst in naturnahen Gärten so mickrig waren, sind die englischen Igelstationen überfüllt mit hilfsbedürftigen Stachlern, auch Vögel und Siebenschläfer sind ausgehungert.

Die Überschwemmungen, die seit November in große Teilen Großbritanniens herrschen, tun nun ihr Übriges: Die Baue der seltenen Ostschermaus, der Füchse und Mäuse stehen unter Wasser und die Nisthöhlen von Eisvögeln und anderen Vögeln, die in Uferböschungen leben, werden weggespült. Kein sehr schönes Ende eines ohnehin sehr polarisierten Jahres.

Wenn sich die Damen und Herren Wettergötter nun also mal wieder beruhigen würden, wäre das sehr schön. Ein kalter Winter, ansteigende Temperaturen und etwas Regen im Frühling, ordentlich Sonnenschein im Sommer und ein Herbst, der mit warmen Tagen und dazwischen ein paar Stürmen glänzt, so wie es sich gehört. Das würde zwar nicht unbedingt zu neuen Rekorden führen, aber ein ganz durchschnittliches (Garten-)Jahr würde uns allen gut tun. Außer vielleicht den Schnecken.

 

Der Jahresrückblick im Detail:

Januar: Wegen der milden Temperaturen wagten sich schon früh im Januar 2012 die ersten Schneeglöckchen und Krokusse aus dem Boden. In Cornwall blühte am Neujahrstag sogar eine Magnolie.

Februar: Ein cold snap verwandelte die Insel in eine Schneelandschaft. Allerdings war das Wachstum vieler Pflanzen schon nicht mehr aufzuhalten: Es grünte und spross im ganzen Land.

März: Noch immer fielen keine nennenswerten Mengen an Niederschlägen. Damit hatte es seit fast eineinhalb Jahren kaum geregnet. Die Wasservorräte der Insel gingen zur Neige, weshalb verschiedene Wasserwerke für April den hose pipe ban ankündigte, den Schrecken aller Hobbygärtner (und Hobbyautowäscher). Die letzten beiden Märzwochen brachten dazu hochsommerliche Temperaturen. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Es würden die wärmsten Tage des ganzen Jahres bleiben.

April: Am 2. April traten die Wasserrestriktionen in Kraft – am 4. April fing es an zu regnen. Und wollte nicht wieder aufhören. Der regenreichste April aller Zeiten wurde für England und Wales verzeichnet, Flüsse traten über die Ufer und die Temperaturen erreichten neue Tiefstwerte. Und das zu einem Zeitpunkt, als wir Hobbygärtner in allen Gartenmagazine und –sendungen ausführlich über trocken- und hitzebeständige Pflanzen informiert wurden.

Mai: Kälte und Nässe verhinderten Insektenflug und Pollenbestäubung.

Juni: Die Orchideen blühten üppig in der Südhälfte Englands, wir hier weiter nördlich froren. Aber die Briten sind bekanntlich hart im nehmen und jubelten trotzdem.

Juli: Eineinhalb mal so viel Regen wie normalerweise. Der Pyramiden-Hundswurz liebt das. Und auch die Schnecken gediehen und schafften es sogar in die Schlagzeilen. Ich war jedoch noch fest entschlossen, mich nicht so leicht aus der Bahn werfen zu lassen. Ab Mitte des Monats gerieten die guten Vorsätze ins Wanken doch ein paar schöne Tage genügten, um die letzten Monate vergessen zu machen.

August: Die Regengüsse des Frühjahrs hat nicht nur nützlichen Insekten den Garaus gemacht, sondern auch weniger beliebten und so konnten wir die paar warmen Tage während der Olympischen Spiele für Picknicks und Barbecues im Garten nutzen, ohne von Wespen angegangen zu werden.

September: Es ließ sich nicht mehr leugnen: Frühling und Sommer waren ein Reinfall. Am deutlichsten wird das durch die nicht vorhandenen Äpfel auf unseren beiden Bäumen, gerade mal drei Exemplare beträgt die Ausbeute. Nur der Rasen ist ordentlich gewachsen.

Oktober: Ja, die Farben waren schön im Oktober. Aber das war es dann auch schon.

November: Tja, was soll man sagen? Es regnete noch immer und die ersten Überschwemmungen machten Schlagzeilen. Selbst unser Kater, der eigentlich ein Faible fürs Bäumeklettern hat, rollte sich lieber auf dem Sofa zusammen.

Dezember: Wetterbedingt waren selbst die Stechpalmenbeeren, für Weihnachten in England eigentlich unentbehrlich, in diesen Tagen rar. Leider verspricht die Vorhersage für den Jahreswechsel keine signifikanten Besserungen, es bleibt nass und mild.

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