Alle Vögel sind schon da

Alle Vögel sind schon da

Anders als in Deutschland bleiben in England wegen der in der Regel milderen Temperaturen viele Vogelarten auch über den Winter. Sie verlassen sich darauf, dass sie hier auch in der kalten Jahreszeit genügend Nahrung finden. Umso härter trifft es sie, wenn, wie in diesem Winter, mehrere Wochen lang eine dicke Schnee- und Eisschicht das Land bedeckt.

Die verschiedenen Futterstellen, die wir im Garten aufgestellt bzw. -gehängt haben, werden von den Piepmätzen deshalb gern angenommen. Auch jetzt, wo keine Minustemperaturen mehr herrschen, sind fast pausenlos Besucher da. Die Buch- und Grünfinken lieben Sonnenblumenkerne und Erdnüsse, ebenso wie die Blau-, Kohl-, Tannen- und Schwanzmeisen. Die Distelfinken bevorzugen Nigersamen, die Spatzen Körner. Türkentauben und Heckenbraunellen nehmen was auch immer grade auf dem Boden liegt, die Stare versuchen sich gern mal an den Meisenknödeln. Ab und an schaut ein Zaunkönig vorbei und einmal hat sich sogar ein Fasan über den Zaun verirrt.

Einige der Gäste sind uns inzwischen so vertraut, dass wir ihnen Namen gegeben haben. Da ist zum einen Robbie. Robbie heißt nicht so, weil er genauso schön singt wie der gleichnamige Popstar, der ebenfalls aus den britischen Midlands stammt, sondern weil robin das englische Wort für Rotkehlchen ist. Robbie kommt angeflogen, sobald wir die Tür zum Garten öffnen, setzt sich vor unsere Füße und wartet auf seine tägliche Ration Mehlwürmer. Sollte das nicht schnell genug gehen, fängt er leise an zu singen.

Dann ist da Amselina. Von den acht Amseln, die sich manchmal zur gleichen Zeit auf unserem Rasen tummeln, ist sie die zutraulichste. Vielleicht deshalb, weil wir ihr einst das Leben retteten  ? als sie im letzten Sommer im Vogelbad planschte, sprang plötzlich Nachbars Katze unter der nahestehenden Konifere hervor und erwischte den Vogel an der Seite. Wir stürzten hinaus, die Katze suchte das Weite, aber die Amselfrau hatte ein verletztes Bein und einen ramponierten Flügel. Sie versteckte sich im Gebüsch im hinteren Teil des Gartens, wir brachten ihr regelmäßig frisches Wasser, Würmer und Haferflocken, sodass sie sich nicht weit aus ihrer Deckung hervorwagen musste. Nach ein paar Tagen konnte sie wieder fliegen, auch das Bein war geheilt. Heute manövriert Amselina wendig und ohne Probleme und hat das Sagen im Garten. Nur der linke Flügel hängt immer noch etwas, was es leicht macht, sie von den anderen Amseln zu unterscheiden. Die Konifere musste übrigens die unteren Äste lassen, damit sie in Zukunft keiner Katze mehr als Versteck dienen kann.

Der dritte Dauerbewohner unseres Gartens ist Woody. Woody ist eine Ringeltaube (englisch: wood pigeon) und etwas plump. Auf seinen Patrouillen durch die Blumenbeete walzt er alles platt, was da so mühsam versucht zu wachsen. Trotzdem, wir mögen ihn wegen seiner Gutmütigkeit. Der Mann behauptet, Woody sei nicht der Hellste, aber ich möchte mich eines solchen Urteils enthalten, auch wenn Woody regelmäßig im Vogelbad einnickt und dann vornüberkippt.

Woody turtelt seit ein paar Tagen mit einer Angebeteten, die Türkentauben bringen kleine Zweigchen in die Konifere, Amselina ist einem der männlichen black birds gegenüber auffällig freundlich und Robbie scheint mit einem mal grimmig entschlossen, die Heckenbraunellen aus unserem Garten zu vertreiben. Es muss wohl Frühling sein in England.

(Fotos: A.Schweizer)

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