(K)Ein Widerspruch? Leben retten mit Schwangerschaftsabbrüchen

(K)Ein Widerspruch? Leben retten mit Schwangerschaftsabbrüchen

Während in Deutschland darüber debattiert wird, ob man „befruchtet Eizellen mit Gendefekt“ schon in der Petrischale aussortieren darf und ob „Designerbabys“ nicht ein übertriebenes Hirngespinst sind, werden in Lateinamerika gerade die Stimmen laut, die für eine Legalisierung der Abtreibung plädieren. Diese Debatte liegt in Deutschland schon mehr als 15 Jahre zurück. Kaum jemand scheint mehr in Frage zu stellen, dass legale Schwangerschaftsabbrüche etwas Gutes sind.*

In Lateinamerika erhebt nun neben Mexiko auch Argentinien seine Stimme und verlangt vom Staat „die Rechte der Frau zu respektieren“. Die Frau soll selbst entscheiden können, wann sie schwanger ist und wann nicht. Diese Argumentationslogik verstehe ich nicht. Es klingt, als hätte eine geschlechtsreife Frau keinen Einfluss darauf, ob sie überhaupt schwanger wird oder nicht. Die auch in Europa so hochgepriesene Selbstbestimmung der Frau (über ihren Körper) hat auch etwas Verantwortungsloses. Denn in der Realität sieht es so aus, dass Frauen oftmals schlicht die Konsequenzen ihres verantwortungslosen Verhaltens oder ihrer nicht zu Ende gedachten Handlungen zu umgehen versuchen. (Ich gehe hier nur auf die Frauen ein, weil es immer „Frauenrechte“ heißt. Dass in all dem jedoch auch die Männer keine unwesentliche Rolle spielen ist mir klar – und es wäre sicher nicht verkehrt, auch auf ihre Verantwortung bei Abtreibungen hinzuweisen.)

Pro-Abtreibung = Pro-Leben? Die argentinischen Frauenrechtler argumentierten letzte Woche im Parlament so: Wenn Abtreibungen legal wären, würden nicht so viele Frauen bei heimlichen Abtreibungen sterben. Die meisten Sterbefälle bei Frauen in Lateinamerika sind auf diese Art nicht-professioneller Schwangerschaftsabbrüche zurückzuführen, sagt Luz Patricia Mejía, Beauftrage der Frauenrechte der Vereinigungen Amerikanischer Staaten OEA. Ihr Argument ist also Leben zu retten. Doch zu welchem Preis? Ein anderes Leben wird (sehr früh) beendet. Für mich klingt das sehr paradox, denn nach meiner christlichen Auffassung beginnt neues Leben in dem Moment, wo Samen- und Eizelle verschmelzen. Diese Meinung wird von Abtreibungs-Befürworten nicht geteilt.
Weltweit finden 42 Millionen Abtreibungen pro Jahr (so die offiziellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)) statt. Bei einer so hohen Zahl werden wir über lang oder kurz nicht drum herum kommen, uns eine eigene Meinung zum Thema zu bilden. Und wenn von der Frage, wann Leben beginnt abhängt, ob wir Abtreibungen gutheißen können oder nicht, sollten wir um eine Antwort sehr bemüht sein. Für uns ist dabei natürlich auch nicht unwesentlich, was Gott dazu meint.

Vor einigen Tagen bin ich auf das Blog der paraguayischen Journalistin Lourdes Peralta gestoßen, die dieses Thema aufgreift. Denn sollte die Abtreibung in Argentinien legalisiert werden, hat das ganz sicher auch Auswirkung auf meinen derzeitigen Aufenthaltsort Paraguay. Anders als die Feministen pocht diese Autorin nicht vorrangig darauf, das Recht der Frau auf Selbstbestimmung zu respektieren. (Auch hier wieder: Niemand scheint überhaupt in Frage zu stellen, ob – in diesem Fall – einer Frau das Recht auf Selbstbestimmung tatsächlich zusteht. Auch bei der kürzlich geführten PID-Debatte schwang ein ähnliches Gedankengerüst mit: das Recht oder die Garantie auf ein gesundes Kind. Darauf hier näher einzugehen, würde jedoch den Rahmen sprengen.) Die paraguayische Journalistin jedenfalls beginnt ihren Artikel mit folgendem Zitat (frei übersetzt): „Wir werden viele Stimmen hören, die für die Abtreibung sind. Deswegen ist es nur richtig, wenn wir uns auch für die Methoden interessieren, die angewandt werden.“ Und dann führt sie die unterschiedlichen Methoden auf, mit denen Kinder abgetrieben werden: Vom Kaiserschnitt über Vergiftung durch Salze bis hin zu Absaugen und Ausschaben.

Wenn Föten noch Babys sind. Interessanterweise spricht Lourdes Peralta stets von dem „Baby“, nicht etwa von einem „Zellklumpen“ oder einer „befruchteten Eizelle“. Und das, was bei einer Abtreibung passiert, nennt sie auch „sterben lassen“ und nicht etwa „entfernen“ oder „beseitigen“. Ich frage mich, wie lange das noch ein akzeptiertes Vokabular für diese Debatte sein wird. Denn auch wenn Paraguay ein überwiegend katholisches Land ist (in dem es immer noch gewisse Tabus gibt, derer sich andere Länder dank Aufklärung längst entledigt haben) – den industrialisierten Ländern in ihren fortschrittlichen Entwicklungen nachzueifern scheint auch hier ein erstrebenswertes Ziel zu sein. Ich möchte bestimmt nicht leugnen, dass westliche Länder viele Vorzüge haben und viele ihrer Entwicklungen nachahmenswert sind. Doch die Debatten über bioethische Themen, wie sie jüngst geführt wurden, haben etwas Unmenschliches.

Anmerkung: Ich bin mir bewusst, dass in Entwicklungsländer die finanzielle Situation der (oft alleinstehenden) Mütter ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung für eine Abtreibung sein kann. Es geht mir nicht darum, die Entscheidungen von Frauen zu verurteilen, die sich unter Umständen in sehr schwierigen Situationen befinden. Vielmehr möchte ich auch die andere Seite zu Wort kommen lassen, die derzeit in den Medien und öffentlichen Diskussion mehr und mehr zu verschwinden droht. In Deutschland wie in Lateinamerika.

* Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland zwar immer noch eine Straftat und wird nach §§ 218 ff des Strafgesetzbuches (StGB) mit einer Freiheitsstrafe geahndet. Es gibt aber zahlreiche Ausnahmen. So werden Ärzte, die bis zur 14. Woche eine Abtreibung durchführen, nicht bestraft. 

weitere Blogs

Ein mysteriöser Todesfall, das Mauern der Einheimischen und eine latente Homophobie begegnen einer lesbischen Pastorin bei ihrer Ankunft in einer ostdeutschen Kleinstadt. Aus der Großstadt bringt sie zudem ihre persönlichen Konflikte mit. Beste Zutaten für den Debütroman „In Hinterräumen“ von Katharina Scholz.
Nach 15.000 Kilometern und fünf Monaten ist Leonies Reise vorbei. Was bleibt? In ihrem letzten Blogbeitrag schaut sie auf ihre Erfahrungen zurück.

Vom Versuch nicht zu hassen. Biografische Streiflichter von gestern, das irgendwie auch heute ist.