Auf AUGENhöhe: Chillen gegen Heidentum

Auf AUGENhöhe: Chillen gegen Heidentum

Ich habe keinen Fernseher. Ich vermisse ihn auch nicht. Ich habe einen Laptop. Über das Internet kann ich mir alle Inhalte holen, die ich will. Und ich kann DVDs nutzen, um Filme zu schauen. So vermeide ich die ständigen Werbeunterbrechungen, die im Fernsehen allgegenwärtig sind.
Lange Zeit habe ich daher gedacht, dass mir die Welt des ideologisch-aufgeladenen Massenkonsums fremd ist. Aber das war ein Fehlschluss.

Was Werbung mit uns macht
Das bisschen Werbung, das ich im Internet, auf Plakaten und in Zeitschriften sehe – was übrigens immer noch wahnsinnig viel ist– reicht aus, um mir zum Beispiel ein neues und innovatives, elektronisches Tablett nicht als einfachen Computer mit besonderer Bedienung, sondern als ein Zeichen für Kreativität, Stil, Leichtigkeit, Flexibilität und ein Must-Have zu »verkaufen«.

Kleidung ist nicht einfach Stoff, der wärmt, schützt und alles, was verdeckt sein muss, auch verdeckt, sondern die Kleidung von dem einen Konzern ist jung, hübsch und frech-fröhlich, während die Kleidung von dem anderen Konzern ein bisschen mystisch, sexy, erwachsen und doch nicht ganz ernst ist. Dabei geht es nur um Kleidung von H&M und Levi’s.

Die Konzerne werben nicht mehr mit ihren Produkten, sondern sie erschaffen eine ganz bestimmte, meist genial gestaltete Art, die Welt zu sehen. Diese Weltsicht verbinden sie mit ihren Produkten auf eine Weise, dass wir auf einmal nicht mehr nur ein Ding kaufen, das wir eben brauchen, sondern, weil es angeblich unsere Identität zum Ausdruck bringt.

Bestes Beispiel: Die kleinen Geräte mit dem Apfel drauf. Natürlich sind sie schick und nützlich. Aber sie sind auch wahnsinnig teuer. Die meisten Leute brauchen diese Dinge nicht wirklich. Dennoch kaufen sie die Geräte, weil sie ein Statement an die anderen sind: Ich bin erfolgreich, kreativ, flexibel, habe Stil usw.

Der neu-alte Götzendienst
Sich dieser Welt zu entziehen, ist in den westlichen Kulturkreisen gar nicht mehr möglich. Und für sich genommen, ist das gar nicht so schlimm, wenn diese Welten oder Weltsichten der Konzerne nicht durch das Marketing pseudo-religiöse Strukturen bekommen würden. Denn die Werbung greift die Sehnsüchte und Wünsche der Menschen in einer Art und Weise auf, dass daraus eine ganz neue Religion, ja ich möchte sogar sagen, ein Götzendienst entsteht. Die Marketingfachleute der Konzerne versprechen Glück, Hoffnung, Annahme, Erfolg, Liebe, Identität und so weiter – für den Moment. Sie nehmen dazu oft auch Elemente der Religion, meistens des Christentums (z.B. Himmel, Hölle, Engel, Taufe, Nikolaus usw.), entkleiden diese ihrer eigenen Aussage und recyceln die Symbole, um etwas Neues zu schaffen.

Das Erschreckende dabei ist: Diese Art von Götzendienst nimmt immer mehr zu, auch in unseren Kirchengemeinden. Wieso ich das denke?

Götzendienst in den Gemeinden
Ganz einfach. Wie viele Gespräche nach dem letzten Amen des Gottesdienstes drehen sich mittlerweile um irgendwelche neuen Produkte? Oder was man letzte Woche gekauft hat? Oder was man sich anschaffen will?

Wir sind eine Konsumgesellschaft. Und wir konsumieren längst nicht nur, was wir irgendwie brauchen, sondern auch, um uns zu identifizieren, uns »neu zu erfinden« oder uns »selbst zu verwirklichen«.

Jesus aber sagt dazu folgendes: Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich dem Mammon. Macht euch also keine Sorgen! Fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um diese Dinge geht es den Heiden, ´die Gott nicht kennen`. Euer Vater im Himmel aber weiß, dass ihr das alles braucht. Es soll euch zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das Übrige alles dazugegeben. (Matthäus 6, 24b. 31 – 33, NGÜ)

Der Ausweg?
Unsere Gedanken, unser Trachten und unser Wollen sollen sich um das Reich Gottes und Gottes Gerechtigkeit drehen. Von Gott kommt unsere Identität und Bestimmung. Wenn uns der Konsum einnimmt, dann ist das Heidentum bzw. Götzendienst.

Wenn ich mich das nächste Mal dabei erwische, dass ich mir ein „Tablett“ oder ein „Stück Stoff“ wünsche, dann will ich es einfach Gott sagen und mich dann durch sein Wort oder Gedanken um das Reich Gottes bestimmen lassen. So wird Chillen mit Gott ein Ausweg aus der Konsumwelt.

Was ist eure Meinung dazu?

Weitere Inspiration dazu:
•\tHirsch, Alan: Disciple Making in ders.: The forgotten ways – reactivating the missional church, Grand Rapids, Mi 2006, S. 101 – 126.
•\tBieritz, Karl-Heinrich: Kult-Marketing – eine neue Religion und ihre Götter, in Stolt, Peter (Hg.): Kulte, Kulturen, Gottesdienste – öffentliche Inszenierung des Lebens, Göttingen 1996, S. 115 – 132.

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