Bücher für das Thomas-Mann-Jahr

Runde Nickebrille auf altem Buch
Getty Images/SimoneN
Seine Romane sind bekannt, aber was wissen wir über das Leben von Thomas Mann?
Blick in die Literatur
Bücher für das Thomas-Mann-Jahr
In diesem Jahr feiern wir den 150. Geburtstag von Thomas Mann. Ein guter Grund einmal einzutauchen in das Leben und Wirken des großartigen Schriftstellers. Das Evangelische Literaturportal hat aktuelle und besondere Bücher dazu für Sie ausgewählt.

In "Buddenbrooks" (1901 erschienen) erzählt Thomas Mann meisterlich vom Untergang einer Lübecker Kaufmannsfamilie und dem Ende einer ganzen Epoche. Mit diesem Untergangsroman begann kurioserweise der Aufstieg und Erfolg Manns. 1929 wurde er für "Buddenbrooks" mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Am 6. Juni jährt sich der Geburtstag Manns zum 150. Mal. Nicht nur das Werk des Nobelpreisträgers, auch sein Leben bietet großartige Geschichten und Zeitgeschichte. 

Teufels Bruder

1896 reist der junge Thomas Mann mit Bruder Heinrich nach Italien und versucht dort seinen Weg als Schriftsteller zu finden.

Im Herbst 1896 treten Thomas und der ältere Bruder Heinrich ihre lang ersehnte Reise nach Italien an. Während Heinrich damals bereits mehrere Erzählungen veröffentlicht hat, muss der Schulversager Thomas erst noch seinen Weg als Schriftsteller finden. Die Reise soll ihn für eine Novelle inspirieren. Zugleich sehnt er sich nach seiner Jugendliebe Ilse aus Lübeck, von der er sich emotionalen Halt erhofft. Aber dann wird er in Venedig auf einen melancholisch blickenden, blonden Jüngling aufmerksam, der ihn so fasziniert, dass er ihm bis nach Neapel nachreist. Wäre dessen vermeintliches Schicksal Stoff für eine Geschichte? Doch die erhoffte Inspiration mündet in einem schockierenden Erlebnis. Matthias Lohre beschreibt gekonnt die emotionalen Höhen und Tiefen, die die Beziehung zwischen den Mann-Brüdern von Beginn an prägten, die Sehnsucht nach Liebe und den schmerzhaften Versuch des jungen Thomas, herauszufinden, wer er wirklich ist, als Mensch und als Schriftsteller. Dabei trifft er den heutzutage teilweise behäbig wirkenden, dekadent-morbiden Stil der damaligen Zeit sehr gut.

Pünktlich zum Thomas-Mann-Jahr (150. Geburtstag) ein einfühlsamer Roman mit zahlreichen Bezügen zum Werk der Brüder Mann. Wolfgang Vetter 

Lohre, Matthias: Teufels Bruder. Roman. Matthias Lohre. München: Piper 2024. 541 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-492-07279-3, geb.: 25,00 €

Mann vom Meer

Ein Buch über die vielfältigen Bezüge in Thomas Manns Leben und Werk zum Meer (1875-1955). Biographische Skizzen.

Frei, im Innersten erfasst und inspiriert hat Thomas Mann sich zeit seines Lebens am Meer gefühlt. Das Meer war Sehnsuchtsort, dunkler und zugleich hellerer Ort als anderswo. Weidermann, Autor und ZEIT-Feuilletonchef zeichnet sein Leben nach, verbindet elegant Zitate aus Manns Tagebüchern und seinem Werk, eigene Recherchen mit erzählerischer Interpretation. 

Schon Manns Mutter Julia wird am Meer geboren, im brasilianischen Urwald, bevor sie mit 7 Jahren nach Norddeutschland muss, wo sie nie heimisch werden wird. Den engen Konventionen des bürgerlichen Lebens in Lübeck entkommen die Kinder der Familie Mann nur für Augenblicke, Sommerferien an der Ostsee. Immer ist da das Meer in Manns Leben und Werk - Ostsee, italienische Adria, später im Exil der Pazifik, Kalifornien, wo Mann sich endlich annehmen kann mit allen Schwächen. Leicht und einfühlsam, nie aufdringlich, auf beste Weise unterhaltend schreibt Weidermann souverän, wie Manns Werke zu seinem Leben passen und es widerspiegeln.

Ein rundum gelungenes, zeitloses Buch. Bettina Wolf 

Weidermann, Volker: Mann vom Meer. Thomas Mann und die Liebe seines Lebens. Volker Weidermann. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2023. 233 S. ; 21 cm.  ISBN 978-3-462-00231-7, geb.: 23,00 €

Der Zauberer

Ausführliche Romanbiografie über Thomas Mann.

Auf über 550 Seiten spürt der irische Schriftsteller Toíbín Leben und Werk des "Großschriftstellers" nach – von der Jugendzeit in Lübeck, über München, Stationen im Exil bis hin zum Haus bei Zürich. Er zeigt Mann meist allein oder im Kreis der Familie und tut – ganz auktorialer Erzähler –, als könne er dessen intimste Gedanken und Träume realistisch wiedergeben. Er zeichnet das Bild eines etwas kauzigen, einsamen Außenseiters, bestimmt von seiner verborgenen Homosexualität, dessen patente Frau Katia ihn allerdings vor Unbill bewahrt und seelisch zusammenhält.

Großen Raum nimmt die Familie ein, die Herkunftsfamilie wie auch Thomas und Katias sechs Kinder mit Anhang. Hier ist nicht nur der Raum für die stärksten Gefühle und Auseinandersetzungen. Oft bringen die Kinder dem Vater die Welt nahe und geben Anstöße. So drängt Tochter Monika den politisch eher Zaudernden, im US-Exil entschieden gegen die Nazis aufzutreten. Und die Familienszenen glänzen mit teils verstörenden, teils witzigen Dialogen. Nicht ganz überzeugend als Biografie und Roman.

Auf jeden Fall lesenswert für Menschen, die an den Manns und der Geschichte des 20. Jahrhunderts interessiert sind. Kerstin Wohne 

Tóibín, Colm: Der Zauberer. Roman. Colm Tóibín. Dt. von Giovanni Bandini. München: Hanser 2021. 556 S. ; 22 cm. Aus d. Engl., ISBN 978-3-446-27089-3, geb.: 28,00 €

Heimweh im Paradies

Thomas Mann erlebt zehn Jahre Exil mit seiner Familie in Südkalifornien, im Austausch mit anderen Künstlern und Autorinnen. 

Das im Titel des Buches anklingende Heimweh ist das schmerzhafte Ringen um die Frage, ob Deutschland nach der Naziherrschaft im Geist regenerieren kann. Thomas Mann debattiert mit denen, die in seiner Nachbarschaft wohnen oder aus der Ferne zu Besuch kommen. Viele strömen zu ihm, um Fragen loszuwerden, sich in seiner Aura zu sonnen oder mit ihm zu ringen. Menschliche Verletzungen, Enttäuschung und Entsetzen bleiben nicht aus. Wenn das Haus ohne Gäste ist, zieht sich der Autor in sein Schreibzimmer zurück. Er braucht die Abgeschiedenheit und Ruhe. Er findet weit entfernt von Deutschland ein Zuhause nur in seinen Arbeiten. Er schreibt in der Zeit den "Doktor Faustus" und arbeitet am Abschluss der Tetralogie von "Joseph und seine Brüder". Er sitzt an Essays und Reden, die er bei Reisen nach Deutschland oder per Radio in die Öffentlichkeit schickt. Eine rege Aufmerksamkeit ist ihm gewiss. Das nährt sein Ego. Er wird gefeiert als Meister der Sprache, als Experte in geistigen Diskursen. Seine Ehefrau, Geschwister und Kinder werden zu Nebenfiguren im Kosmos des Dichters.

Ein geeignetes Buch für Literaturinteressierte, die erfahren wollen, wie Künstlerinnen im Exil mit dem Nazideutschland ringen und für die Freiheit des Geistes kämpfen. Christine Behler 

Mittelmeier, Martin: Heimweh im Paradies. Thomas Mann in Kalifornien. Martin Mittelmeier. Köln: DuMont 2025. 189 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-7558-0033-0, geb.: 22,00 €

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