Bundespräsident: Kampf für Freiheit ist nicht zu Ende

Frankfurter Pauluskirche
© epd-bild/Tim Wegner
Politikerinnen und Bürger gedenken der Nationalversammlung in der Frankfurter Pauluskirche vor 175 Jahren. In Frankfurt ist das Gedenken an den Beginn der Demokratie auch ein Volksfest.
Geburtsstunde der Demokratie
Bundespräsident: Kampf für Freiheit ist nicht zu Ende
An den Geburtstag des deutschen Parlaments vor 175 Jahren haben Spitzen des Staates in der Frankfurter Paulskirche gedacht. Bundespräsident Steinmeier erinnerte an das bleibende Vermächtnis der Revolutionäre und frühen Demokraten.

Auf den Tag genau 175 Jahre nach dem Beginn der deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bogen von den Revolutionären von 1848 bis hin zu den im Krieg Widerstand leistenden Ukrainern gespannt. Steinmeier appellierte am Donnerstag am historischen Ort vor rund 600 geladenen Gästen, sich für die Freiheit aller Völker einzusetzen. Angesichts des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine müssten Demokraten den angegriffenen Menschen helfen. "Wenn irgendwo Freiheit und Selbstbestimmung bedroht oder angegriffen werden, werden alle freien Menschen und Völker bedroht."

Die revolutionären Aufstände im März 1848 und die Bildung des ersten deutschen Parlaments sei der Moment gewesen, "als Untertanen zu Bürgern wurden", hob Steinmeier hervor. Ohne den entschiedenen Bürgermut, ohne die revolutionären Bewegungen an vielen Orten wäre es nicht zur Nationalversammlung gekommen. Die Abgeordneten "waren Wegbereiter von Ideen, die uns heute selbstverständlich sind". Der damals geweckte Geist der Freiheit habe sich auf lange Sicht nicht mehr unterdrücken lassen.

"Wir haben den Revolutionären von 1848 viel zu verdanken", sagte der Bundespräsident. Er betonte die damals begonnene öffentliche Debatte für den demokratischen Aufbruch. "Diese gesellschaftliche Selbstverständigung, dieses öffentliche und gemeinsame Suchen nach dem richtigen Weg, in Freiheit und in Respekt voreinander, ist eine unverzichtbare Grundlage der Demokratie - ebenso wie der ehrliche Streit und die Fähigkeit zum Kompromiss", sagte er.

Damals seien aber auch jene Gegenkräfte hervorgerufen worden, die die Demokraten bis heute vor große Herausforderungen stellten, nämlich Populisten und Nationalisten, fügte Steinmeier an. "Wer Parlamentarier verhöhnt, verhöhnt diejenigen, die für Freiheit und Demokratie gekämpft haben." Auf die Farben eines geeinten demokratischen Deutschlands, "auf Schwarz-Rot-Gold kann sich heute nicht berufen, wer neuen Nationalismus schürt und autoritäres Denken propagiert".

Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hob hervor, dass das Ringen um Freiheit von 1848 nicht zu Ende sei. "Unsere parlamentarische Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Es braucht engagierte Bürger, die etwas verändern wollen", sagte sie. Wenn mit Lügen und Hass Grundwerte untergraben und wenn Politiker attackiert würden, sei die Demokratie in Gefahr.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) nannte das Leben in Freiheit und Demokratie "wenig selbstverständlich". Für viele Völker sei dies "der pure Luxus". Demokratie sei eine niemals abgeschlossene Aufgabe. Früher hätten Bürger darum gekämpft, wählen zu dürfen - heute müsse man darum kämpfen, dass Bürger wählen gehen. "Gleichgültigkeit ist eine der größten Gefahren der Demokratie", warnte Rhein.

"Ich bin glücklich, in Deutschland zu sein", bekannte die im Iran geborene und als Jugendliche wegen der Teilnahme an Demonstrationen dort inhaftierte Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne). "Es berührt mich sehr, wenn demokratische Werte nicht beschimpft, sondern geehrt werden." Menschen in Freiheit sollten solidarisch mit denen sein, die gegen staatlichen Terror unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit kämpften. "Demokratie ist die politische Form der Menschlichkeit", zitierte sie den tschechischen Schriftsteller und Politiker Tomás Masaryk.