Lisa Rienermann
Nachleben
Was ist die Hölle?
Wir alle haben die Hölle sozusagen in der Tasche. Der neudeutsche Begriff doomscrolling sagt es schon: Mit unseren Smartphones können wir uns 24 Stunden am Tag durch die Abgründe dieser Welt scrollen bis zur Verdammnis (doom). In der Nachrichten-App sehen wir Bilder getöteter Kinder oder brennende Wälder, in den sozialen Medien wird hemmungslos gehasst und im sogenannten Darknet wird das alles noch gesteigert. Mit dem Internet können nicht einmal die furchtbaren Höllendarstellungen eines Hieronymus Bosch oder Peter Paul Rubens mithalten. Aber: Die Hölle in unserer Tasche ist die Hölle auf Erden; ganz real, nicht ausgedacht und aufgemalt. Sie zeigt, wie ungerecht diese Welt ist.
Die religiöse Idee der Hölle allerdings zielt auf das Gegenteil: auf Gerechtigkeit. Beim Endgericht werden die Menschen eingeteilt. Diejenigen, die sich nach Gottes Willen verhalten haben, kommen ins Reich Gottes. Die anderen ins "ewige Feuer" – so heißt es etwa beim Evangelisten Matthäus, der eine Rede Jesu über das Gericht wiedergibt. Ob jemand gerecht ist oder nicht, wird daran festgemacht, wie er sich seinen Mitmenschen gegenüber verhalten hat. "Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben", sagt Jesus erst zu den Gerechten und dann zu den Ungerechten: "Ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben."
Wer sich dafür einsetzt, dass diese Erde keine Hölle ist, wird dafür von der ewigen Hölle verschont, könnte man diese Bibelstelle auslegen. Die im Diesseits fehlende Gerechtigkeit soll so im Jenseits nachgeholt werden. Aber schon immer haben findige Theologen gesehen: Ewige Strafen sind niemals gerecht; selbst für die schlimmsten Verbrechen nicht. Denn menschliche Verbrechen können furchtbar, aber nicht ewig sein.