Warum der Euro nicht zur Weichwährung werden darf

Warum der Euro nicht zur Weichwährung werden darf
Pointierte Anmerkungen zu Politik und Zeitgeschehen: Als erfahrener Journalist ist Ernst Elitz gewohnt, den Mächtigen kritisch auf die Finger zu schauen, harte Worthülsen zu knacken und das Zeitgeschehen bisweilen bissig zu kommentieren - diesmal erläutert er, was zu tun ist, damit der Euro nicht zur Weichwährung wird, welche politischen Konstellationen nach der NRW-Wahl möglich sind und warum das Gespräch mit den Muslimen in Deutschland so schwierig ist. Jede Woche beantwortet Ernst Elitz drei Fragen für evangelisch.de.
14.05.2010
Die Fragen stellte Bernd Buchner

evangelisch.de: Finanzmarktkrise, Griechlands Fast-Kollaps, und nun ist auch noch der Euro in Gefahr - war die europäische Gemeinschaftswährung von vornherein eine Kopfgeburt, und wie lange wird es sie noch geben?

Ernst Elitz: Sie war eine gute und vernüftige Idee. Leider wurde versäumt, ihr klare Regeln und einen rigiden Kontrollmechanismus mit auf den Weg zu geben. Jeder wollte den Euro, aber alle wollten so weiter machen wie bisher – beim Schuldenmachen, in der Haushaltsschummelei, beim kleinen oder großen Betrug zu Lasten der Partner. Das musste schiefgehen, nur wollte sich das niemand eingestehen. So viel Vertrauensseligkeit ist schon im Privatleben riskant; bei einer Währung,die einen ganzen Kontinent sichern soll, kann das ökonomisch tödlich sein. Das ist die aktuelle Situation: Die Stabilität Europas steht auf der Kippe, und Angela Merkel kann das Versprechen Helmut Kohls, der Euro werde so stabil sein wie die D-Mark, nicht mehr halten. Die Weisheit, dass jeder Fehler sich irgendwann rächt, hat sich bestätigt. Den Euro wird es sicher noch eine Weile geben. Aber wenn die Konsolidierungsmaßnahmen in den einzelnen Staaten nicht streng kontrolliert und keine Regeln für den Ausschluss unzuverlässiger Mitglieder aus der Währungsunion durchgesetzt werden, dann wird er zu einer Weichwährung – mit misslichen Folgen für die Wirtschaftskraft Europas und unseren Sozialstaat.

evangelisch.de: Nordrhein-Westfalen hat gewählt, das Ergebnis ist ein klares Patt. Wie geht es weiter im bevölkerungsstärksten Bundesland: Große Koalition, Linksbündnis oder doch noch die von Westerwelle ausgeschlossene Ampel?

Ernst Elitz: Dies ist eine politische Kolummne und nicht das Buch Daniel. Ich bin kein Prophet. Hannelore Kraft war nicht die erste, die knapp am Ziel vorbei geschrammt ist. Dieses Schicksal teilt sie mit Stoiber und Ypsilanti. Den Prosecco in der Parteizentrale sollte man so lange im Kühlschrank lassen, bis die letzte Stimme ausgezählt ist. Nachdem die FDP von Westerwelle zurückgepfiffen wurde, sieht es dumm aus für die nordrhein-westfälische SPD. Macht sie es mit den Grünen und Linken, wird ihr bis zur Bundestagswahl jeder Schwachsinn, den irgendein Linken-Politiker verzapft, vorgehalten. Eine Super-Propaganda-Vorlage für den politischen Gegner. Kuschelt sie mit der CDU in einer grossen Koalition, ist das Sieger-Image passé und Frau Kraft spielt in der zweiten Reihe. Gelingt es der Union, den Grünen durch großherzige Angebote eine CDU-Grüne-FDP-Koalition schmackhaft zu machen – die sogenannte Jamaika-Lösung - guckt die SDP vollends in die Röhre. Kurzum, es geht in NRW weniger um einen großartigen neuen Politikansatz, sondern um taktische Tricks mit Blick auf Berlin und die nächste Bundestagswahl.

evangelisch.de: Der Boykott durch den Zentralrat der Muslime belastet die Deutsche Islamkonferenz, die am Montag in die zweite Runde gehen soll. Was ist eigentlich so schwierig am Islam-Dialog in diesem Land?

Ernst Elitz: Die Muslime sind eine ziemlich disparate Glaubensgemeinschaft. Das gilt für ihr Bekenntnis wie für ihre Organisation. Wie jeder, der unsicher ist und sich zurückgesetzt fühlt, schwanken sie zwischen Auftrumpfen und beleidigt sein. Nur sollten wir uns angesichts unserer innerchristlichen Querelen in Demut üben und die Kontakte zu islamischen Gläubigen in Städten und Gemeinden weiter pflegen. Wenn es gelingt, auf dieser Ebene Verständnis füreinander zu gewinnen, dann wird eines Tages auch auf der Funktionärsetage wieder Entspannung angesagt sein. Wie schwierig und langwierig solche Prozesse sind, kennen die Christen aus der Ökumene zur Genüge.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.