Würdigung oder Entwürdigung: Pro und Contra Vatertag

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Würdigung oder Entwürdigung: Pro und Contra Vatertag
Für die einen ist es ein geheiligter Tag mit einem unverrückbaren Ritual rund um den Bollerwagen, für die anderen eine alkoholverseuchte No-Go-Area. Für manche ist es beides, und eine kleine Minderheit sieht sogar den christlichen Feiertag dahinter: Christi Himmelfahrt. Dafür? Dagegen? Wir haben zwei Antworten.
12.05.2010
evangelisch.de
Von Henrik Schmitz und Hanno Terbuyken

Pro: Wo man wieder Mann sein darf

Zugegeben: Es ist natürlich bedenklich, wenn kirchliche Feiertage quasi nach Zeitgeist mutieren. Und man muss aufs Schärfte verurteilen, wenn eine Horde Männer - so wie in Münster angeblich vor einigen Jahren geschehen - in einer Bischofsgruft "Einer geht noch rein" skandieren. Aber mal abgesehen davon haben sich Väter ihren Vatertag doch redlich verdient.

Frei nach Herbert Grönemeyer muss man sich ja echt fragen, wann Mann sonst noch ein Mann ist. Die Frauen haben inzwischen sämtliche Reservate der Männlichkeit im Sturm genommen. Wo Mann hinkommt, Alice Schwarzer war zumindest in Gedanken schon da. Frauen fliegen ins All, Frauen leiten Unternehmen, Frauen sind Kanzlerin. Angeblich schalten bei Fußballländerspielen inzwischen schon mehr Frauen ein als Männer. Die Frauennationalmannschaft ist ohnehin erfolgreicher als die Herren. Auch der Alkohol ist keine Domäne der Männer, wie Lisa Minelli, Paris Hilton oder Lindsey Lohan immer wieder mal beweisen.

Der Mann von heute hingegen kann tastend Fein- von Buntwäsche unterscheiden, kocht die HausMannskost selbst und baut laut Versicherungswirtschaft mehr Autounfälle. Hapert es in der Beziehung, willigt Er selbstredend in eine Paartherapie ein und lässt sich von alleinstehenden Psychologinnen das Geheimnis lebenslanger Bindung erläutern, nämlich die fünf "W": Wäsche waschen, windeln wechseln, wischen. Sie hingegen hat das Recht, bei ihrem Mann auf die vier "K" zu pochen: Karriere, Konsum, keine Kinder.

Da sei doch den Vätern gegönnt, in Nostalgie zu verfallen und das zu tun, was angeblich früher mal männlich war: mit den Kumpels um die Häuser ziehen, laut Lieder singen, über die Frauen schimpfen und im Stehen pinkeln, auch wenn es nur am Straßenrand ist. Wenn Mann mal mit dem Bollerwagen durch die Heide wandert, ist er ganz bei sich, bei seinen Wurzeln – und ist dann den Rest des Jahres äußerst geerdet. So betrachtet ist der Vatertag ein höchst besinnliches Ereignis und sollte daher höchste Würdigung erfahren.

Henrik Schmitz

Contra: Den Tag nicht im Alkohol ersaufen

Vatertag. Der Tag, an dem ältere Herren rote Socken zur kurzen Lederhose anziehen, die Wanderschuhe schnüren und ohne Frau und Kind zur Schänke im Wald wandern, ihre Stecken an die Tische lehnen und bei einem oder zwei Bier gemeinsam über sich und das Leben reflektieren. Das ist gut.

Vatertag. Der Tag, an dem halbwüchsige 17-Jährige nach dem Aufstehen zwei Kisten Bier und eine Kühltasche voller Wodkaflaschen (oder Ouzo, ist ja gerade billig) in einen Bollerwagenladen laden, an den nächstgelegenen Baggersee wandern und sich so sehr betrinken, dass sie abends den Rückweg nicht mehr finden. Das ist nicht gut.

Ob man es nun Vatertag, Herrentag oder Männertag nennt, für einen großen Teil der männlichen Bevölkerung steht Christi Himmelfahrt im Zeichen des säkularen Genusses von C2H6O. Klar, auch Jesus hat Wasser in Ethanol verwandelt, aber das war nicht das Signal dafür, sich in Erinnerung an den Erlöser alle Jahre wieder 40 Tage nach Ostern die Birne wegzuknallen. Gerade der jüngeren Generation, die gerne mal ihre Grenzen auslotet, ist der Tag ein willkommener Anlass zum Exzess.

Darum steht Vatertag weit oben in der Liste der Tage, an denen man als vernünftiger Mensch am besten gar nicht erst das Haus verlässt. Es macht keinen Spaß, an jeder Straßenecke von Besoffenen angegrölt zu werden, nicht zu vergessen, dass es auch gefährlich ist. Vielen im Gedächtnis ist noch der Männertag in Dresden vor fünf Jahren, als mehrere hundert junge alkoholisierte Männer auf einmal am Elbufer randalierten – ohne Anstoß, ohne Ziel, einfach nur um der Gewalt willen. Das Statistische Bundesamt stellt schon seit Jahren fest, dass die Zahl der alkoholbedingten Unfälle zu Vatertag dreimal so hoch ist wie sonst.

Das könnte man ganz einfach ändern: Vatertag abschaffen. Aber das will ja niemand, ist schließlich auch ein christlicher Feiertag. Aber zwischen Abstinenz und Exzess liegt ein annehmbares Mittel. Auch am Vatertag. Darum: Väter, unternehmt etwas mit euren Söhnen! Macht etwas anderes als das Saufen zum Mittelpunkt eures Tages! Jungs, plant was geiles für den Tag und trinkt, aber nicht nur! Männer, es ist unser Tag – die beste Gelegenheit, etwas zu unternehmen, was wir immer schon mal machen wollten. Besoffen im Straßengraben einschlafen gehört nicht dazu.

Hanno Terbuyken