Trotz Krise: Griechenland nicht kaputt sparen

Trotz Krise: Griechenland nicht kaputt sparen
Griechenland hält Europa in Atem: Der Schuldenberg ist hoch, das Defizit ebenso, der Staat braucht dringend Geld. Und eben dieses kann er sich auf den Kapitalmärkten nicht mehr besorgen, weil die Bonität zu niedrig und die Zinsen zu hoch sind. Also sollen Europäische Union und Internationaler Währungsfonds helfen. Zu Recht? Wir sprachen mit Steffen Stierle, Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac Deutschland.
28.04.2010
Die Fragen stellte Frauke Weber

Herr Stierle, es heißt, Spekulanten haben mit ihren Wetten die prekäre Situation in Griechenland beschleunigt. Wie wettet man eigentlich gegen ein Land?

Stierle: Das Land muss schon in Problemen stecken, Staatsanleihen müssen bereits unsicher sein und an Wert verlieren. Dann schließen Spekulanten Versicherungen ab, um sich gegen einen weiteren Wertverlust der Anleihen abzusichern. Die Krux dabei: Um eine solche Versicherung abzuschließen, muss derjenige nicht einmal diese Staatsanleihen besitzen. Er gewinnt allein durch die fallenden Werte und die Versicherung.

Kann sich ein Land gegen solche Spekulanten wehren?

Stierle: Ein einzelnes Land hat kaum Chancen, es ist ein Problem der Europäischen Union. Die Regierungen hatten genug Zeit, die Finanzmärkte so zu regulieren, dass solche Situationen erst gar nicht mehr eintreten. Es ist eine Frage des politischen Willens, über Steuern, Verbote und Rücknahme der Liberalisierungen die Finanzmärkte wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

Am Dienstag stufte die Rating-Agentur Standard & Poors die Bonität von Griechenland herab. Warum trauen wir Rating-Agenturen schon wieder?

Stierle: Es gibt keinen Grund, ihnen wieder zu vertrauen, denn es hat sich nichts geändert. Rating-Agenturen in ihrer jetztigen Form handeln im Sinne der eigenen Kapitalinteressen. Sie sollten unter öffentlicher Kontrolle stehen, nur dann sind sie sinnvoll und vertrauenswürdig.

Dadurch wurde die Situation noch verschlimmert. Hat Deutschland überhaupt noch eine andere Wahl, als mit Krediten zu helfen?

Stierle: Natürlich muss kurzfristig Geld in die Hand genommen werden. Sinnvoller als das so genannte Rettungspaket wäre aber eine gemeinsame Anleihe der Euroländer. Dann würde Griechenland von der Bonität und Glaubwürdigkeit aller Länder in der Euro-Zone profitieren, die Zinsen blieben in einem akzeptablen und bezahlbaren Bereich. So könnten sich auch andere Länder, die ebenfalls unter Zugzwang stehen wie zum Beispiel Portugal, Luft verschaffen.

Deutschland verlangt für seine Hilfe Gegenleistungen von Griechenland wie große Sparanstrengungen. Was bedeutet das für Hellas?

Stierle: In Deutschland wird suggeriert, dass die Griechen sich in luxuriösen Zuständen befinden, früh in Rente gehen und zu hohe Löhne haben. Im europäischen Vergleich ist dem aber nicht so. Zudem erhält Griechenland das Geld ja nicht geschenkt, sondern als Kredit mit einer Zinsstruktur, die den Gläubigern sehr entgegen kommt. Wenn Griechenland jetzt einen harten Sparkurs fährt, wird die Wirtschaft kaputt gespart, die sozialen Konflikte verschärfen sich. Außerdem sollte sich gerade Deutschland fragen, wie es auf Dauer mit dem Außenhandelsungleichgewicht umgehen will, denn auch dieses ist ein Teil des Problems. Jeder Überschuss eines Landes bedeutet anderer Stelle ein Defizit. Die aggressive Exportstrategie Deutschlands ist daher ein zentrales Problem.

Wie steht es mit den Banken?

Stierle: Auch sie sollten an den Kosten beteiligt werden. Das gilt nicht für Banken, sondern auch für Hedgefonds und alle, die an den Spekulationen verdient haben.

Kann den ein Land pleite gehen?

Stierle: Ja. Griechenland kann seine Zahlungen einstellen, was auch bedeuten könnte, dass im öffentlichen Dienst keine Gehälter mehr bezahlt werden. Die Gläubiger würden einen Teil ihres Geld verlieren. Im schlimmsten Fall müsste Griechenland dann die Euro-Zone verlassen und wieder zur Drachme zurückkehren.

Dann wären aber auch die Kredite, die Deutschland gegeben hätte, verloren.

Stierle: Das wäre der Fall. Deutschland müsste die Kredite abschreiben. Das stünde allerdings in keinem Verhältnis beispielsweise zu den Bankenrettungsaktionen oder den Profiten der deutschen Wirtschaft auf Basis der Ungleichgewichte in Europa.

Wie kann denn eine vergleichsweise kleine Volkswirtschaft wie Griechenland überhaupt eine solche Krise auslösen?

Stierle: Die Wirtschaften sind untereinander stark verflochten. Hinzu kommt, dass Griechenland jetzt auch einen Präzedenzfall für andere Länder darstellt.

Nicht zu helfen, wäre demnach das falsche Signal?

Stierle: Ja. Damit würde die Rolle der europäischen Integration ad absurdum geführt.


 

Steffen Stierle ist Volkswirt und Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac.