Rechtsextreme zündeln in Ostjerusalem

Rechtsextreme zündeln in Ostjerusalem
Während sich in Jerusalem der Nahost-Gesandte der USA, George Mitchell, und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu trafen, demonstrierten israelische Rechtsextremisten in Ostjerusalem gegen die arabischen Einwohner. Ein Stolperstein auf dem weiteren Friedensweg oder Symptom tiefgehender Unzufriedenheit mit Netanjahus Friedenskurs? So oder so: Im Mai trifft sich Palästinenser-Präsident Abbas mit Mitchell und Obama, und vielleicht geht es dann voran. Wenn nicht wieder Extremisten dazwischen kommen.
25.04.2010
Von Hans Dahne

Ein kleines Mädchen sitzt auf einer hohen Mauer und klopft wie besessen mit einem Kochlöffel auf eine Bratpfanne. Dazu skandiert sie: "Bi ruch, bi damm, nafdik ja Silwan" (Meinen Geist und mein Blut opfere ich dir, Silwan). Die Zahnlücken im Mund sind ebenso gut zu sehen wie die Wut im Gesicht - Wut auf gut drei Dutzend rechtsextremistische Israelis. Diese ziehen grinsend, mit wehenden Fahnen und dem Victory-Zeichen durch eine Hauptstraße des Stadtteils Silwan im arabischen Ostteil Jerusalems. Hunderte schwer bewaffnete Polizisten schützen sie vor dem Zorn der Einwohner.

Silwan beginnt gleich außerhalb der Altstadt von Jerusalem. Die graue Kuppel der Al-Aksa-Moschee ist in Sichtweite. Ganze 300 Meter dürfen die Rechten die steile Wadi-Hilwa-Straße einmal hinunter und dann wieder hinauflaufen. Die Araber empfangen sie mit ohrenbetäubendem Lärm. Kinder und Erwachsene schlagen auf Kochtöpfe, Wellblechteile oder mit blanken Fäusten auf Metalltüren. "Faschisten, Faschisten", rufen sie. Einige vermummte arabische Jugendliche bewerfen Polizisten mit Steinen. Die schießen mit Tränengas zurück. Zwei Beamte und vier Palästinenser werden verletzt.

Hat die Regierung die Kontrolle verloren?

Die Rechtsextremen fühlen sich - gut beschützt durch die Staatsmacht - anscheinend pudelwohl. Die beiden Aktivisten Baruch Marsel und Itamar Ben Gvir führen den Zug an. Jetzt könne man ja mal sehen, wer Boss in Jerusalem sei, sagt Ben Gvir in die Kamera des israelischen Fernsehsenders Channel 2. "Das Volk Israel lebt" oder "Gott ist unser König", schallt es aus dem Zug. "Wir sind hier für das Land Israel. Das hier ist kein besetztes, sondern befreites Land", sagt ein Demonstrant namens Mordechai. Offiziell wollten die Rechten eigentlich gegen den Bau illegaler Häuser von Arabern in Silwan protestieren.

Die Stimmung brodelt, als die Demonstranten auf rund 30 israelische Friedensaktivisten stoßen, die mit Trommeln und Megafon am Straßenrand stehen: "One, two, three, four - occupation no more. Five, six, seven, eight - stop the settlements, stop the hate", schallt es ("Eins, zwei drei, vier, keine Besatzung mehr. Fünf, sechs, sieben, acht - stoppt die Siedlungen, stoppt den Hass").

"Dieser Marsch ist eine Provokation der Rechtsextremen. Er beweist, dass die Regierung jegliche Kontrolle über Jerusalem verloren hat", sagt Chagit Ofran von der Friedensbewegung Peace Now. Der Leiter des arabischen Informationszentrums in Silwan, Dschawad Sijam, meint, es sei das Ziel der Rechtsextremisten, "die (arabische) Bevölkerung in Silwan zu vertreiben, damit es bis zum Jahr 2020 eine jüdische Mehrheit in diesem Stadtteil gibt".

300 israelische Siedler unter 55.000 Arabern

Die Polizei stoppt später eine Gegendemonstration von linken Israelis und Einwohnern. Palästinenser zünden aus Wut Autoreifen an. Als ein Araberjunge einem Polizisten mit einer Fahne vor der Nase herumfuchtelt, schnauzt dieser ihn an, dass er ihm Arme und Beine brechen werde, falls er ihn mit der Fahne berühren sollte. Ein israelischer Friedensaktivist geht dazwischen, beschimpft den Beamten als "Hurensohn". Wenig später geht Danny zu Boden und krümmt sich vor Schmerzen. "Drei Polizisten haben ihm in den Rücken und den Unterleib geschlagen", sagt dessen Ehefrau. Sie habe alles gefilmt.

Der Stadtteil Silwan zählt zu den Brennpunkten im israelisch-palästinensischen Konflikt. 300 Siedler leben nach Angaben von Sijam unter 55.000 Arabern. Und weil die Stimmung hier ohnehin gereizt ist, hatten die Behörden den sogenannten "Flaggenmarsch" der Rechtsextremisten mehrmals untersagt.

Das oberste Gericht erteilte am Ende eine Genehmigung - zum Missfallen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Der traf sich am Sonntag nämlich zeitgleich mit dem US-Nahost- Vermittler George Mitchell. Da konnten Krawalle und Verletzte nur stören. "Das ist eine Demonstration extremistischer Elemente, die die arabische Bevölkerung Jerusalems provozieren wollen. Solche Aktivitäten zu dieser Zeit könnten die Stadt in Brand setzen und dem diplomatischen Prozess schaden", teilte das Büro des Ministerpräsidenten mit.

dpa