Vulkanausbruch: Bewahrung der Schöpfung statt Endzeit

Vulkanausbruch: Bewahrung der Schöpfung statt Endzeit
Der Ausbruch des Eyjafjallajökull hat Europas Luftverkehr hart getroffen und den Menschen gezeigt, wie verletzlich ihre moderne Lebenswelt sein kann. Es ist ein Aufruf zur Bewahrung der Schöpfung. Endzeitstimmung ist fehl am Platz.
19.04.2010
Von Ralf Peter Reimann

Gemeinsam blicken wir in den Himmel. Röter als sonst müsste er sein, sagen die einen. Die anderen behaupten, das Blau des Himmels sähe jetzt etwas grauer aus – ich muss gestehen, eine Veränderung des Himmels kann ich nicht bemerken. Wahrnehmen kann ich jedoch, dass dem Himmel nun eine große Beachtung geschenkt wird, seit Flugasche des isländischen Vulkanes Eyjafjallajökull den Flugverkehr in großen Teilen Europas lahmlegt.

Feine Asche, nicht sichtbar für die meisten Beobachter, hat Auswirkungen, die sehr wohl sichtbar sind: Gestrandete Menschen auf den Flughäfen, Züge, die überfüllt sind, die ersten Wirtschaftsgüter, die nicht mehr verfügbar sind. Zugegeben, ich kann auf Frischblumen aus Kenia verzichten, aber es gibt andere Wirtschaftsgüter, die wichtiger sind, wie zum Beispiel Arzneimittel aus Fabriken im Ausland.

Wir sind abhängig von den Launen der Natur

Auch wenn es nun so scheint, dass die Flieger wieder abheben können, so bringt einen der viertätige Ausfall des Flugverkehrs ins Nachdenken – zumal lange nicht absehbar war, wie lange der Luftraum gesperrt bleiben würde.

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Oft verdrängen wir, wie sehr wir in unserer globalisierten und technisierten Welt doch von den Launen der Natur abhängig sind. Ein Vulkanausbruch in Island hat weitreichende Folgen, die in ganz Europa und sogar weltweit spürbar sind. Mit ein bisschen Phantasie lassen sich noch weit dramatischere Folgen ausdenken. Was wäre, wenn die Aschewolke dichter wäre und sie das Satelliten-Ortungssystem GPS zum Ausfall brächte? Oder der über Satelliten abgewickelte Internetverkehr bräche zusammen, und andere interkontinentale Leitungssysteme könnten nicht die zusätzlich benötigte Bandbreite bereitstellen? Kann man sich jetzt eventuell noch mit Video-Konferenzen behelfen, schiede dann auch diese Möglichkeit aus. Wie sähe unsere Welt aus ohne Flugverkehr und ohne Internet? Und was, wenn die Aschewolke eines richtigen Riesen-Ausbruchs eine neue Eiszeit hervorriefe?

Unsere moderne und globale Industrie- und Wissensgesellschaft wäre auf einmal in ein vorindustrielles Zeitalter zurückgeworfen. Der Ausbruch des isländischen Vulkanes Eyjafjallajökull zeigt sehr deutlich, wie verwundbar unsere Gesellschaft ist und wie sehr wir von der Natur abhängen.

Naturgewalten werden die Menschheit nicht zerstören können

Wie verstehen wir diese Abhängigkeit von den Naturgewalten? Wenn Erklärungsmuster versagen, ist es ein beliebtes Interpretationsschema, die Unbill der Natur als göttliches Strafgericht zu erklären. In Internetforen kann man bereits solche Beiträge finden, die den Ausbruch des Eyjafjallajökull mit dem Verfall der Moral in Europa erklären wollen oder das Nahen der Endzeit ausrufen.

Mit biblischer Sichtweise haben die Deutungsmuster nicht viel gemein. Jesus selbst schiebt allen Spekulationen über die Endzeit einen Riegel vor. Ein anderes Deutungsmuster lässt sich in der biblischen Geschichte der Sintflut erkennen. Angesichts der Naturkatastrophe gilt Gottes Versprechen an die Menschen, dass Gott Naturgewalten nicht (mehr) zu Bestrafung einsetzen will:

Gott spricht: "Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht" (1. Mose 8, 21b-22). Frost und Hitze wird es weiter geben, aber die Naturgewalten werden die Menschheit und die Schöpfung nicht mehr zerstören können – so die christliche Weltsicht.

Menschen können mit der Natur leben, sie können die Erde hegen und pflegen - "sie sich untertan machen", wie es in der Schöpfungsgeschichte heißt - aber nicht letztlich über sie verfügen. Naturereignisse wie der Ausbruch des Eyjafjallajökull oder die jüngsten Erdbeben in Haiti und China zeigen uns Menschen unsere Grenzen und unsere Freiräume auf – und machen deutlich, wie zerbrechlich und auch unverfügbar die Natur ist und wie sehr wir unseren Lebensraum benötigen, der sich schnell aus dem Gleichgewicht bringen lässt. Diesen Gestaltungsspielraum sollten wir nutzen, wohlwissend um unsere Grenzen und Möglichkeiten.


Ralf Peter Reimann ist evangelischer Pfarrer und Mitarbeiter von evangelisch.de.