Sie haben Post: Durch die Bahn geht ein Ruck

Sie haben Post: Durch die Bahn geht ein Ruck
Nach dem verkorksten Bahn-Winter hatte sich Pendlerin und Autorin Ursula Ott bei der Bahn beschwert. Und siehe da: Post im Briefkasten. Mit einem Angebot der Bahn.
09.04.2010
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 5. bis 9. April

Montag

Hurra, Post von der Bahn! Nach einer besonders blöden Fahrt vor einigen Wochen hatte ich mich beschwert, und siehe da: zwei eng bedruckte Seiten. Ganz viel Wartungsstau, Fahrzeugstörung und Ultraschalluntersuchungs-Intervall. Dolles Wort. Wenn die Bahn unfallfrei so viel l's in ein Wort gebastelt kriegt, wird sie das mit den Achsen bestimmt auch bald repariert kriegen. Oder auch nicht. Zwölf von 252 ICE-Zügen stehen jetzt gar nicht zur Verfügung, schreibt mir Maren Reinsch von der Abteilung Kundendialog. Und dass die Achsen zehnmal häufiger überprüft werden als bisher. Ich seh schon, die Maren hat das erkannt, dass ich ein echter Bahnprofi bin. Wenn das so weiter geht, nehme ich statt dem Laptop demnächst den Werkzeugkoffer mit an Bord.

Dienstag

Das Beste: Maren hat nicht nur technische Bau-Details geschickt, sondern Genussgutscheine für das Bordbistro. Ich soll "meine Begleitung zu einem gemeinsamen Bordfrühstück einladen". Na, so weit kommt's noch. Meine Begleitung im ICE, in der Mehrzahl muffige gestresste Männer, sieht zwar meistens so aus, als ob man mit ihr prima über Wartungsstau reden könnte. Aber Genuss im Bistro stelle ich mir anders vor. Beschließe, alle Gutscheine zusammenzulegen und mit meinem zehnjährigen Sohn auf der Rückfahrt von den Osterferien zu verfuttern. Oskar ist begeistert. Er bestellt Nürnberger Rostbratwürste, Bionade Holunder, einen Schoko-Muffin und eine heiße Schokolade. Damit sind sämtliche Gutscheine aufgebraucht. Genuss? Für die Mutter schon, es herrscht fast eine Stunde gefräßige Stille. Reicht für eine Frankfurter Allgemeine und eine Süddeutsche Zeitung. Danke, Maren.

Mittwoch

Leider ergibt sich auf der Fahrt mit meinem kleinen Sohn dann doch noch ein Kundendialog der dritten Art. Von Kunde zu Kunde. Wir besuchen beim Zwischenhalt in Hannover die DB-Lounge, und wir trinken einen Tee – irgendwie muss Oskar seinen Bratwurst-Muffin-Genuss ja verdauen. Dann gehen wir zurück zum Gleis. Und plötzlich baut sich vor uns ein anderer Bahnkunde auf, der uns tatsächlich von der Lounge im 1. Stock über die Bahnhofshalle bis zu Gleis 16 gefolgt ist. "Sie haben Ihre Tasse nicht zurückgestellt! Was sind Sie für ein Vorbild für Ihren Sohn! Das muss jetzt die Bahnmitarbeiterin machen, und dann wundern Sie sich, dass die Bahn immer teurer wird." Hilfe, ich werde überwacht. Von einem Kunden! Maren, ich bin schuld! Ich bin das mit den Bahnpreisen, ich, die schlamperte Mutter! Kurz bevor mir der engagierte Bahnkunde das Sorgerecht entzieht, kommt zum Glück mein Zug nach Köln.

Donnerstag

Frankfurter Rundschau von heute: "Anwalt für verärgerte Bahnfahrer". Es gibt tatsächlich noch eine Instanz, an die ich mich jetzt wenden kann, wenn ich sauer bin, das Eisenbahn-Bundesamt. Das setzt jetzt meine "Fahrgastrechte" durch. Weil ich nämlich neuerdings mehr bin, so steht es wörtlich in der FR, mehr als ein "Beförderungsfall". Dafür bin ich ja neuerdings ein Betreuungsfall, weil mich andere Bahnkunden für eine schlechte Mutter halten. Oskar sagt übrigens, der Mann habe Recht. Die Teetasse hätten wir echt zurückstellen können aufs Tablett, aber der Blödmann solle sich um seinen eigenen Scheiß kümmern. Von mir hat der Junge das nicht mit den Schimpfwörtern, echt.

Freitag

Der Himmel ist blau, das Wochenende naht, die Osterferien sind auch zu Ende, und nächste Woche fahre ich wieder ohne Kind und ohne Genussgutscheine mit der Bahn. Die arbeitet, so steht es im letzten Absatz meines Briefes, "mit Hochruck" daran, die Situation zu normalisieren. Durch Deutschland, jawoll, muss ein Ruck gehen. Und durch die Bahn. Druck hab ich jetzt ja auch genug gemacht. Hauruck, Maren. Können wir das schaffen? Ja, wir schaffen das! Ist nicht von Obama, sondern von Bob der Baumeister. Der kriegt das auch hin mit dem Baggern und Reparieren. Dann schafft die Bahn das auch, ich glaub daran. Schönes Frühlings-Wochenende!


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de.

Neu im Buchhandel: Ursula Ott: "JA TOLL - Geschichten, die immer nur mir passieren", erhältlich im chrismon-shop!

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