Aktion: "Das Geben hat viele Gesichter"

Aktion: "Das Geben hat viele Gesichter"
Wer sich für andere einsetzt, bekommt außer der Ehre nicht viel dafür. Die Aktion "Geben gibt" will das ändern: mit einem Preis für Spender, Stifter und Ehrenamtliche, die Vorbildliches leisten. evangelisch.de sprach mit der Projektleiterin Cornelie Kunkat.
16.03.2010
Von Thomas Östreicher

evangelisch.de: Der Titel Ihrer Kampagne "Geben gibt" suggeriert: Wer sich engagiert, bekommt mindestens so viel zurück, wie er investiert. Stimmt das?

Cornelie Kunkat: Ja. Wir haben den Aspekt der Selbstlosigkeit auch ganz bewusst nicht in den Vordergrund gestellt. Unsere Kampagne soll stimulieren, also Lust auf Engagement machen. Die Botschaft lautet: Mir persönlich gibt es was - vielleicht sogar mehr, als ich selbst investiere. Auch wenn man die Rechnung nicht immer so direkt aufmachen wird.

"Ranglisten in den Köpfen"

 

evangelisch.de: Was ist das Ziel Ihres "Bündnisses für Engagement"?

Kunkat: Das Geben hat viele Gesichter: Stiften, Spenden und natürlich ehrenamtliche Arbeit. Da im dritten Sektor letztlich alle in einem Boot sitzen, wollen wir diese drei Bereiche vernetzen, statt sie gegeneinander abzugrenzen. Schließlich kommt kein Verein ohne Spenden aus, und ebenso keine Stiftung ohne freiwillige Helfer. Darum sollte das Geben von Geld, von Zeit und Ideen als Dreiklang gedacht werden – nicht nur in dieser Kampagne.

evangelisch.de: Vielen fällt es allerdings leichter, ein paar Euro locker zu machen als gleich bei einem Projekt aktiv zu werden. Stehen die verschiedenen Angebote da nicht doch in einer Konkurrenz zueinander?

Kunkat: In manchen Köpfen gibt es da noch Ranglisten, nach denen das eine nobler ist als das andere. Wir bedauern dieses Klischee und arbeiten an einer gleichwertigen Wahrnehmung.

"Bildungsferne Schichten" einbinden

 

evangelisch.de: Gibt es eine Konjunktur des Helfens?

Kunkat: Stiftungsgründungen liegen weiter im Trend. Die Engagementquote von rund einem Drittel aller Bundesbürger stimmt ebenfalls positiv. Leider lässt sich eindeutig feststellen, dass Bildungsgrad und Haushaltseinkommen das persönliche Engagement direkt beeinflussen. "Bildungsferne Schichten" und Menschen mit geringem Einkommen ebenbürtig einzubinden, ist bislang ein ungelöstes Problem.


evangelisch.de: Wer engagiert sich wie?

Kunkat: Das hängt nicht zuletzt von der Lebensphase ab. Ein Jugendlicher wird nicht zum Stifter - vielleicht aber, wenn er 20 oder 30 Jahre alt ist. Das sehen wir bei vielen Sportlern, die irgendwann den Impuls verspüren, sich auf diese Weise für das Gemeinwohl einzusetzen. Den Impuls zu freiwilligem Engagement ziehen junge Menschen ansonsten aus ihrem unmittelbaren Umfeld: Familie, Schule, Sportverein oder Kirche, wenn also der Schulchor sein Adventskonzert im Altenheim gibt und anschließend auch noch mit den alten Leuten etwas Zeit verbringt. Auf diese Weise spüren auch Kinder schon: Ich kann etwas geben.

evangelisch.de: Wann sind Menschen überhaupt dazu bereit, sich zu engagieren?

Kunkat: Umfragen belegen: Wer in der Jugend Kontakt mit freiwilligem Engagement hatte, in einem Ehrenamt oder vielleicht in Fundraising-Aktionen aktiv eingebunden war, der bleibt der Idee des Gebens ein Leben lang verbunden - in einem anderen Lebensabschnitt vielleicht weniger über Zeit als über Geld. Diese Person spendet dann mal einen größeren Betrag oder gründet gemeinsam mit anderen eine Bürgerstiftung, und im Alter gibt sie wieder mehr von ihrer Zeit und ihrer Lebenserfahrung weiter.

"Das Selbstvertrauen fehlt"

 

evangelisch.de: Die Millionen Arbeitslosen bei uns haben zwar wenig Geld, aber jede Menge Zeit. Woran liegt es, dass sich die Betroffenen vergleichsweise wenig für andere einsetzen?

Kunkat: Ich denke, wir haben es hier mit einem Teufelskreis zu tun. Um sich zu engagieren, braucht man eine positive Grundeinstellung. Wenn man sich selbst aber als Verlierer sieht und die Angst verspürt, hinten runterzufallen, dann fehlt das Selbstvertrauen dafür, dass man anderen eine wichtige Hilfe sein könnte. So verstellen sich diese Menschen oft die Teilhabe an der Gesellschaft und den Zugang zu Qualifikationen, die einen Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern. Es gibt aber auch bürokratische Hürden, die Arbeitslose davon abhalten, längere ehrenamtliche Engagements einzugehen.

evangelisch.de: Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen?

Kunkat: Indem man möglichst breiten Schichten die Chance auf diese positive Erfahrung gibt, damit sie alle daraus schöpfen können und danach aus eigenem Antrieb dranbleiben. Die Erfahrung zeigt, dass Engagierte ihren ersten Impuls vor allem aus der Familie und dem Freundeskreis bekommen – durch reale Vorbilder also. Am leichtesten geschieht das in der Schule, zum Beispiel in Form von sozialen Pflicht-Praktika - nicht um die jungen Leute als billige Hilfskräfte heranzuziehen, sondern um ihnen das positive Gefühl des Gebens zu vermitteln und zu zeigen, auf welch vielfältige Weise dies möglich ist.

Wie wichtig ist politisches Engagement?

 

evangelisch.de: Wenn es um die Anerkennung ehrenamtlicher Arbeit geht, fällt auf, dass kirchliche Initiativen eher selten vorkommen. Woran liegt das?

Kunkat: Das weiß ich auch nicht. Angesichts der großen Zahl der Aktiven ist das verwunderlich: Jüngeren Erhebungen zufolge rangieren "Kirche und Religion" auf Platz 2 der Engagement-Bereiche. Vielleicht herrscht bei kirchlichen Initiativen eine etwas übertriebene Bescheidenheit vor nach dem Motto: Wieso sollte ich einen Preis verdient haben?

evangelisch.de: Gibt es "blinde Flecken" des ehrenamtlichen Engagements?

Kunkat: Ja, und zwar überraschende. Wir haben Anfang 2009 eine Emnid-Umfrage erstellen lassen und gefragt: "Welche Gesellschaftsbereiche würden Ihrer Ansicht nach ohne freiwilliges Engagement weniger gut funktionieren?" Soziales, Sport und Umwelt wurden jeweils von mehr als 50 Prozent der Befragten genannt, Bildung und Kultur von einem Drittel, aber nur jeder Fünfte nannte den Bereich Politik. Und das, obwohl gerade dort fast alles ehrenamtlich geleistet wird. Soziales und Umwelt sind schließlich ebenfalls politische Themen. Dass dann ausgerechnet die politische Beteiligung als am wenigsten notwendig angesehen wird, müsste den Berufspolitikern eigentlich zu denken geben.

evangelisch.de: Was müsste sich ändern?

Kunkat: Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob in unserer schnelllebigen Zeit generell mehr kurzfristiges Engagement angeboten werden sollte, um diesem Trend Rechnung zu tragen. Ich persönlich glaube, dass die meisten Menschen, die aktiv werden, eine gewisse Kontinuität auch schätzen – zumal die Umsetzung von Ideen einfach ihre Zeit braucht. Fest steht für mich: Es muss niedrigschwellig anfangen. Wenn man dann erst einmal von einer Projektidee infiziert ist, dann macht man mit Freuden mehr, als man ursprünglich vorhatte.

Vom 1. April bis 31. Juli 2010 können Bürgerinnen und Bürger ihre persönlichen "Helden" bei der Kampagne "Geben gibt." für den Deutschen Engagementpreis 2010 vorschlagen.


Ausgezeichnet: Seit 1969 kümmern sich die "Grünen Damen" (und Herren) in Krankenhäusern und Seniorenheimen um Bedürftige. Die inzwischen rund 10.000 ehrenamtlichen Aktiven nehmen sich Zeit für ein Gespräch, übernehmen kleinere Besorgungen, besorgen Kleidung oder lesen vor. Die 2009 von "Geben gibt" prämierte Evangelische und Ökumenische Krankenhaus- und Altenheim-Hilfe EKH e.V. sucht stets Freiwillige - vor allem Männer und jüngere Menschen, die sich beteiligen möchten. Während ihres Dienstes, der in der Regel einen Vormittag pro Woche in Anspruch nimmt, sind sie unfallversichert, vielfach wird eine Fahrtkostenpauschale gezahlt.

 


Die Sozialhelden - 2005 gegründet von Raúl Aguayo-Krauthausen (2. v. l.) - erhielten im vergangenen Jahr den Publikumspreis der Kampagne "Geben gibt".  "Wer die Welt verändern will, braucht nicht nur Mut und gute Ideen, sondern auch ein starkes Team", heißt es bei der Berliner Gruppe von ehrenamtlich Engagierten. Denn "ein Sozialheld kommt selten allein", und "in jedem schlummern verborgene herausragende Kräfte". Besonders erfolgreich: ihre Aktion "Pfandtastisch helfen!". In mittlerweile mehr als 100 Berliner Supermärkten hängen Sammelboxen für Flaschenpfand-Bons - deren Erlös an gemeinnützige Organisationen wie die Berliner Tafel und pro familia geht.

 


Thomas Östreicher ist freier Journalist in Hamburg und Frankfurt.