Schluss mit der Allmacht des Ehemanns

Schluss mit der Allmacht des Ehemanns
Die Juristin Elisabeth Schwarzhaupt machte dem Parlament Beine: Seitdem sind Ehefrauen und -männer gleichberechtigt.
04.03.2010
Von Eduard Kopp

Wie lange mag es her sein, dass einem Ehemann nach dem bürgerlichen Recht das letzte Wort bei ehelichen Streitigkeiten zustand? Im Streit zum Beispiel darüber, ob seine Frau ein Bankkonto eröffnen oder eine Erwerbsarbeit aufnehmen darf. Oder darüber, in welchem Ort und in welcher Wohnung er mit seiner Frau wohnen wird. Wie lange hatte der Satz Geltung: "Dem Mann steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu", wie das Bürgerliche Gesetzbuch in Paragraf 1354 festlegte?

Die Geschichte dieser Rechtsbestimmung ist eng verknüpft mit Elisabeth Schwarzhaupt, CDU-Abgeordnete in Berlin seit der Bundestagswahl vom September 1953. Die Juristin hatte bis zu ihrem Einzug ins Parlament im Außenamt der Evangelischen Kirche in Frankfurt am Main gearbeitet. Zuletzt war sie dort ­Oberkirchenrätin und Geschäftsführerin der Evangelischen Frauenarbeit.

Vorstoß Richtung Gleichberechtigung

Bis Ende März 1953, also ein halbes Jahr zuvor, hätten die traditionellen Vorrechte der Ehemänner bereits fallen und durch demokratische Bestimmungen ersetzt werden müssen. Diese Frist stand im Grund­gesetz. Doch die erste Regierung Adenauer hatte eine Novellierung nicht zustande gebracht. Die Privilegien der Männer in der Ehe spalteten Regierung, Fraktionen, Parteien. Und die Kirchen nicht weniger. Der liberale Justizminister Thomas Dehler und eine breite Mehrheit unter den SPD-Abgeordneten hatten zwar Vorstöße Richtung Gleichberechtigung unternommen, waren im Parteienstreit aber hoffnungslos gescheitert. So war die Frist für die Gesetzesreform ungenutzt verstrichen.

Das sollte sich in der neuen Legislaturperiode ab 1953 ändern. Im neuen Kabinett gab es erstmals ein Familienminis­terium, angeführt vom kirchentreuen Katholiken Franz-Josef Wuermeling (CDU). Ein neuer Gesetzentwurf lag bald auf dem Tisch - wieder mit dem männlichen Letztentscheidungsrecht. Im "Unterausschuss Familienrechtsgesetz" kommt es am 15. November 1956 zur entscheidenden De­batte.

Das Ende der männlichen Eheprivilegien

Dort haben die Konservativen eine knappe Mehrheit. Da greift Elisabeth Schwarzhaupt zu einer List, die sogar in ihrer eigenen Fraktion, der CDU, später als hinterlistig und einer ehemaligen Ober­kirchenrätin unwürdig kritisiert wird. ­Eigentlich soll ein Konservativer mitabstimmen, aber es gelingt ihr, stattdessen eine aufgeschlossene Abgeordnete beizuziehen: Margot Kalinke, Gewerkschafterin des Verbands weiblicher Angestellter. Die hält sich in der Debatte geschickt zurück, bis nach zwei Stunden die Abstimmung naht: Schwarzhaupt und Kalinke sorgen dabei für eine zwar knappe, aber eindeutige Ablehnung des "Stichentscheids" der Männer. Dieses Ergebnis wiederholt sich zwar nicht im Rechtsausschuss, später aber im Bundestag: Knapp, aber eindeutig fallen die männlichen Eheprivilegien.

Es war kein Taktieren aus einer spontanen Haltung heraus, sondern hatte sich politisch und religiös über viele Jahre entwickelt. Elisabeth Schwarzhaupt hatte als eine der ersten Frauen überhaupt Jura ­studiert und dann zunächst als Assessorin bei der Städtischen Rechtsauskunft- und Rechtsschutzstelle für Frauen in Frankfurt am Main gearbeitet. Die Nazis verboten ihr, wie allen anderen Frauen, im März 1933 das Richteramt - dabei waren Frauen doch erst 1922 zu diesem Beruf zugelassen worden. Und ihr Verlobter, ein jüdischer Arzt, hatte nach Amerika emigrieren müssen. Sie hing zeitlebens an ihm, blieb aber unverheiratet. Weite Teile der Nazizeit, seit 1935, arbeitete sie als Juristin in der evangelischen Kirchenkanzlei in Berlin.

Von Haus aus emanzipiert

Die Gründe für ihr politisches Engagement reichen bis in die Kindheit zurück: Schon ihr Vater, Lehrer und Oberschulrat, war Abgeordneter gewesen, bis 1933 im Preußischen Landtag. Ihre Mutter bewunderte die Lehrerinnen und Feministinnen Helene Lange und Gertrud Bäumer sehr, blieb jedoch Hausfrau. So wollte Elisabeth Schwarzhaupt nicht leben. Sie wünschte Beruf und politischen Einfluss für die Frauen.
Kanzler Adenauer konnte das politische Gewicht Elisabeth Schwarzhaupts schließlich nicht ignorieren. Er berief sie 1961 in sein Kabinett. Ihr Ressort: Gesundheit. Sie war die erste Ministerin einer Bundes­regierung.