Roma-Kulturmuseum: Zentrum gegen Vorurteile

Roma-Kulturmuseum: Zentrum gegen Vorurteile
Roma sind die am stärksten diskriminierte Minderheit. Das Roma-Kulturmuseum in der serbischen Hauptstadt Belgrad will das Verständnis zwischen Serben und Roma fördern.
01.03.2010
Von Danja Antonovic

Dragoljub Ackovic (55) ist ein stattlicher Mann, den ein Rauschebart und eine große Brille zieren. Er redet begeistert, gestikuliert viel und gibt gerne Auskunft über sein Lebenswerk. Ackovic ist Direktor des Roma-Kulturmuseums in der serbischen Hauptstadt Belgrad, des einzigen Roma-Museums auf dem Balkan. Seine Sammlung, die Leben und Kultur der Roma dokumentiert, hat er dem Museum geschenkt. Oder anders gesagt, hier hat er endlich Raum gefunden, um seine Schätze unterzubringen.

Abbau der Vorurteile

Seine Augen blinzeln verschmitzt, wenn er sagt: "Das hier ist eher ein Zentrum zum Abbau der Vorurteile als ein Museum. Wenn jemand hier erfährt, wie alt die Geschichte der Roma ist oder wann schon die ersten Bücher gedruckt wurden, dann wird er, so hoffe ich, über uns anders denken".

Er zeigt auf eines der Exponate hinter Glas, es ist ein Buch in Romanes, 1803 erschienen. "Im selben Jahr wurden nur neun Bücher auf Serbisch gedruckt", fügt Ackovic hinzu. Und er erzählt von Indien, der Urheimat der Roma, von großem Reichtum und vernichtenden Kämpfen, die zur Auswanderung seines Volkes aus Indien geführt haben. Im 10. Jahrhundert haben Roma den Balkan erreicht.

Roma: Die am stärksten diskriminierte Minderheit

Ein solches "Zentrum gegen Vorurteile" wie sein Museum ist in Serbien schon lange notwendig, denn Roma sind die am stärksten diskriminierte Minderheit. Ihre genaue Zahl ist unbekannt, offiziell geht man von 200.000 aus. Roma-Organisationen sprechen von 600.000 bis 800.000 Menschen. Tatsache ist, dass die meisten Roma nirgends offiziell gemeldet sind, kaum jemand ist krankenversichert, 95 Prozent von ihnen sind Analphabeten und 60 Prozent der Romakinder beenden nicht einmal die Grundschule.

Die meisten Romafamilien hausen in Elendssiedlungen ohne fließendes Wasser und Kanalisation. Eine dieser "Karton-Citys", unter der Hauptbrücke von Belgrad für jeden gut sichtbar, wurde im Sommer geräumt. Weil Belgrader aus den Randgemeinden die Roma auch nicht als Nachbarn haben wollten, wurden 70 Familien in ein Containerdorf auf ein Feld außerhalb der Stadt verfrachtet.

Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet

Dabei haben Serbien und elf weitere süd- und osteuropäische Staaten vor fünf Jahren die Dekade der Roma-Integration ("Roma-Dekade 2005-2015") gestartet. Sie soll die Lage der Roma verbessern. Im Zentrum der Dekade stehen Bildung, Arbeit, Wohnen und Gesundheit.

Im Jahr 2009 hat Serbien ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, das den Roma mehr Rechte einräumt. Sonst ist aber nicht viel passiert. In einem Land, in dem 20 Prozent aller Bürger unter der Armutsgrenze leben, steht die Minderheit der Roma nicht an erster Stelle.

Im Zusammenhang mit der Roma-Dekade ist auch die Eröffnung des Roma-Kulturmuseums im Zentrum von Belgrad zu sehen: ein Schritt, der zum besseren Verständnis zwischen Serben und Roma beitragen soll. Jetzt schon zählen Schulklassen zu den ständigen Besuchern. Das Museum in der Ruzveltova 43 ist recht zentral gelegen und gut erreichbar.

Ein Taler für jeden toten Roma

Das ganze Museum ist nur 72 Quadratmeter groß, diese sind aber maximal genutzt. Die hohen Wände hängen voll mit Bildern und Karten. Und mit Computern können mehr als 100.000 Dokumente gesichtet werden. Dragoljub Ackovic ist sichtlich stolz darauf. Er hat Ethnologie und Anthropologie studiert und arbeitet seit Jahren als Journalist. Auf sein Engagement geht auch die halbstündige Sendung in Roma-Sprache zurück, die Radio Belgrad täglich sendet.

"Schauen Sie hier", sagt er und zeigt auf eine Informationstafel, "nicht immer waren Roma auf dem Balkan so diskriminiert. Während im 15. Jahrhundert in Brandenburg für jeden toten Roma ein Taler bezahlt wurde, hatten Roma hier in Belgrad damals alle bürgerlichen Rechte. Im 19. Jahrhundert schon saßen sie im serbischen Parlament, und keiner weiß, dass heute in der serbischen Akademie der Wissenschaften mehrere Roma vertreten sind."

Aktuelle Ausstellung: "Alav e Romengo"

Eine große Sammlung von Postkarten im Museum zeigt gleichzeitig klischeehafte Roma-Romantik: große Zelte, wunderschöne Frauen, düster blickende Männer vor untergehender Sonne.

"Alav e Romengo" ("Das Wort Roma") heißt die aktuelle Ausstellung, die noch bis zum Sommer zu sehen ist. Das Projekt ist in Zusammenarbeit mit der Nationalbibliothek entstanden, viele der Dokumente, Bücher, Zeitungen und Artefakte sind auch im Internet zu sehen. Die nächste Ausstellung soll unter dem Titel "Materialien des Lebens" tägliche Gebrauchsgegenstände zeigen.


Das Roma-Kulturmuseum in der Ruzveltova 43 in Belgrad ist von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 16 Uhr geöffnet.

epd