Kaputte Waschmaschine ist kein Härtefall bei Hartz IV

Kaputte Waschmaschine ist kein Härtefall bei Hartz IV
Eine Woche nach dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird klarer, wer Anspruch auf Leistungen aus der sogenannten Härtefall-Regelung hat. Das Bundesarbeitsministerium brachte am Dienstag eine Geschäftsanweisung auf den Weg, anhand derer die Jobcenter über entsprechende Anträge entscheiden sollen. Unterstützung sollen zum Beispiel Rollstuhlfahrer für Haushaltshilfen und chronisch Kranke für den Kauf nicht verschreibungspflichtiger Medikamente bekommen.

Der Leistungsanspruch greife ab sofort, wenn Hilfebedürftige einen "unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf haben", teilte das Ministerium in Berlin mit. Als weiteres Beispiele nannte das Arbeitsministerium die Kostenübernahme bei Fahrten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit Kindern. Auch wenn wegen eines besonderen Anlasses wie einer Erkrankung Nachhilfeunterricht über einen begrenzten Zeitraum notwendig wird, könnte ein Härtefall anerkannt werden.

Ausdrücklich nicht unter die Härtefallklausel fielen einzelne Anschaffungen wie ein Waschmaschine, eine Brille oder orthopädische Schuhe. Die Leistungen würden nur gewährt, wenn eine erhebliche Unterversorgung drohen würde, stellte das Ministerium klar. Bedarfsspitzen seien durch Wirtschaften mit der Regelzahlung auszugleichen.

Jobcenter werden mit Anfragen überhäuft

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag vergangener Woche entschieden, dass der Gesetzgeber bis Jahresende eine neue Berechnungsgrundlage für die Hartz-IV-Regelsätze schaffen muss. Ab sofort können Hartz-IV-Empfänger in Einzelfällen einen zusätzlichen Sonderbedarf geltend machen.

Der Härtefall-Katalog wurde vom Ministerium mit der Bundesagentur für Arbeit abgestimmt. Er soll kurzfristig vor Ort zur Verfügung gestellt werden. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte dem epd, die Liste solle den Sachbearbeitern in den Jobcentern Ermessensspielraum lassen. Der stellvertretende BA-Vorstand Heinrich Alt sagte der "Bild"-Zeitung, die Jobcenter würden derzeit mit Härtefall-Anträgen "überhäuft". Viele der Anträge würden aber abgelehnt werden.

Unterdessen ging die Debatte um die Hartz-IV-Äußerungen von FDP-Chef Guido Westerwelle weiter. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte der "Leipziger Volkszeitung", die Wortwahl Westerwelles zeige seine Hilflosigkeit: "Wer keine konstruktiven Ideen hat, macht eben Getöse." Außenminister Westerwelle hatte unter anderem gesagt, wer dem Volk "anstrengungslosen Wohlstand" verspreche, lade zu "spätrömischer Dekadenz" ein, und seine Kritiker aufgefordert, sich im Bundestag einer Generaldebatte über den Sozialstaat zu stellen.

Offene Debatte um soziale Gerechtigkeit gefordert

Der Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützte Westerwelles Forderung nach einer Generaldebatte über soziale Gerechtigkeit. Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Die Hartz-Reformen selbst sind eine wesentliche Ursache für Armut." Sie hätten dazu beigetragen, dass ein Arbeitsplatz kein Garant für soziale Sicherheit mehr sei. Westerwelle versuche dagegen den Eindruck zu erwecken, dass sich Arbeit nicht mehr lohne. Tatsächlich sei aber der Hartz-IV-Regelsatz seit 2005 nur um rund vier Prozent gestiegen, während die Teuerungsrate in derselben Zeit mehr als acht Prozent betragen habe, erklärte Buntenbach.

Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Cornelia Pieper nahm Westerwelle in Schutz vor "niveaulosen Angriffen" und forderte eine sachliche Debatte. Ebenso rief der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, zur Besonnenheit auf. Er sagte im rbb-Inforadio, die Interpretation von Westerwelles Äußerungen habe "hysterische Züge" angenommen.

epd