Leiden eines Pressesprechers. Wilfried Mohrens neuer Job

Leiden eines Pressesprechers. Wilfried Mohrens neuer Job
So schnell kann's gehen: Wilfried Mohren, im Herbst 2009 um Haaresbreite dem Knast entgangen, hat einen neuen Job. Ab sofort arbeitet der wegen Bestechlichkeit vorbestrafte frühere MDR-Sportchef als freiberuflicher Pressesprecher für den Fußball-Drittligisten Rot-Weiß Erfurt. Wir haben exklusiv (und rein fiktiv) das erste Telefonat dokumentiert, das Mohren in seiner neuen Funktion führen musste.
15.02.2010
von Michael Ridder

Mohren: Guten Tag, das ist die Pressestelle von Rot-Weiß Erfurt, mein Name ist Wilfried Mohren, was kann ich für Sie tun?

Anrufer: Hallo Herr Mohren, Sie sind ja gleich persönlich am Apparat. Hat man Ihnen etwa keine Vorzimmerdame gewährt?

Mohren: Ach, wissen Sie, Erfurt ist nicht Mailand oder Madrid. Ich kann aber auch ganz gut selbst einen Telefonhörer abnehmen. In welcher Sache rufen Sie denn an?

Anrufer: Nun ja, die Angelegenheit ist, sagen wir mal, etwas delikat. Ich rufe im Auftrag einer großen Brauerei an, die sehr gerne neue Partner gewinnen würde.

Mohren: Ich bin hier der Pressechef und beantworte Presseanfragen. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie kein Presseorgan vertreten?

Anrufer: Meine Identität spielt keine Rolle. Das Unternehmen, für das ich tätig bin, ist auf jeden Fall sehr zahlungskräftig und könnte für Rot-Weiß Erfurt bestimmt...

Mohren: Sie sollten mir schon sagen, welches Medium Sie vertreten. Ansonsten kann ich Ihre Frage nicht beantworten.

Anrufer: Medium? Wir wollen doch keine Seancen machen, oder? (lacht gekünstelt)

Mohren: (todernst) Nein, ganz gewiss nicht.

Anrufer: Na also. Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, diese Brauerei, in deren  Auftrag ich anrufe, stellt sich ein Kombi-Geschäft vor. Wenn das Bierlogo einerseits auf der Trikots der Erfurter Fußballer zu sehen wäre...

Mohren: Da muss ich Sie mit unserer Marketing-Abteilung verbinden, dafür bin ich nicht
zuständig. Einen Augenblick bitte.

Anrufer: Halt! Herr Mohren! Lassen Sie mich doch ausreden, ich glaube, Sie haben noch nicht ganz verstanden, worum es hier geht. Diese Bierlogos, die auf den Trikots zu sehen sind, könnte man doch bei den Spielberichten im MDR etwas ausführlicher als sonst üblich ins Bild setzen, und dafür...

Mohren: (wütend) Was glauben Sie eigentlich, mit wem Sie es hier zu tun haben? Mit einer Product-Placement-Agentur? Ich bin Pressesprecher, kein Schleichwerber!

Anrufer: Das wäre mir neu.

Mohren: (hält die Luft an) Wie bitte? Was haben Sie da gerade gesagt?

Anrufer: Na kommen Sie, Herr Mohren. Pressesprecher - eine echt gute Tarnung, darauf muss man erstmal kommen! Wer beim MDR hat sich das eigentlich ausgedacht?

Mohren: (betont sachlich) Mit dem MDR habe ich nichts mehr zu tun.

Stimme im Hintergrund: Wilfried, die Kantine macht gleich zu. Heute gibt's doch Pommes rot-weiß!

Anrufer: Das ist ja nicht zu fassen.

Mohren: Das Telefonat ist hiermit beendet. (knallt den Hörer auf die Gabel) Himmel. Ich bin Pressesprecher, verdammt nochmal! Warum glaubt mir niemand?


Michael Ridder ist Redakteur des Fachdienstes epd medien. Seine Glosse erschien dort in der Rubik Tagebuch.