Atomkraft sorgt für Störfälle in der Union

Atomkraft sorgt für Störfälle in der Union
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sorgt mit seiner kritischen Haltung gegenüber der Atomkraft für handfesten Streit in den eigenen Reihen. Der Widerstand der unionsregierten Länder wächst.

Neuer Störfall in der Union: Der Widerstand der Unionsländer gegen den Atomkurs von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wächst. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen warfen Röttgen am Freitag vor, vom Koalitionsvertrag abzuweichen und die Länder zu übergehen. Der Bundesumweltminister bekennt sich zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, will aber eine möglichst schnelle Ablösung durch die Öko-Energien.

"Wir sind vor der Bundestagswahl für längere Laufzeiten der Kernkraftwerke eingetreten, und das muss auch so bleiben", erklärten die Umweltminister von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, Markus Söder (CSU), Tanja Gönner und Silke Lautenschläger (beide CDU). Röttgen habe eine Vorfestlegung getroffen. "Das entspricht nicht dem, was vereinbart wurde."

Seehofer verweist auf Sicherheitsstandards

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) widersprach der Ansicht Röttgens, dass die Laufzeit der Atommeiler auf höchstens 40 Jahre ausgelegt ist. Solange die Kernkraftwerke "unsere hohen Sicherheitsstandards erfüllen und solange sie für unseren Energiemix unverzichtbar sind, sollten wir sie am Netz lassen", sagte der CSU-Chef dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Der neue baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus warnte: "Es wäre völlig inakzeptabel, wenn der Reaktor Neckarwestheim I abgeschaltet würde", sagte er der "Stuttgarter Zeitung" (Samstag). CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe stellte sich dagegen vor Röttgen. Seine Äußerungen seien "im Kern durch den Koalitionsvertrag gedeckt" sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitag). Ähnlich hatte sich zuvor auch Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel geäußert.

Minister verteidigt seine Haltung

Röttgen verteidigte seinen Kurs. "Der einzige Weg zu einer langfristig sicheren und gesellschaftlich akzeptierten Energieversorgung führt über die erneuerbaren Energien. Sie müssen erst die Atomkraft und dann die Kohlekraftwerke bis 2050 sukzessive und am Ende komplett ersetzen", sagte er dem "Spiegel". Der Minister hatte zuvor in der "Süddeutschen Zeitung" einen möglichst raschen Ausstieg aus der Atomenergie verlangt und dies unter anderem mit den starken Vorbehalten in der Bevölkerung begründet.

Die drei Bundesländer kritisieren vor allem, dass die Atomenergie nach Ansicht von Röttgen überflüssig werden soll, wenn der Anteil von Ökoenergien an der Stromproduktion 40 Prozent erreicht. Die Kernenergie könne nur durch einen verlässlichen Anteil erneuerbarer Energien ersetzt werden. 2009 lag der Anteil bei 16 Prozent, der der Atomenergie bei 23 Prozent. Sie monieren auch, dass Röttgen Bedenken gegen die Abschöpfung von Gewinnen der Energieversorger hat.

"Keine rasche Stilllegung geplant"

Das Bundesumweltministerium wies unterdessen einen "Spiegel"-Bericht zurück, nach dem die Stilllegung von Biblis A (Hessen) und Neckarwestheim I (Baden-Württemberg) geplant sei. Derzeit gebe es weder eine Verabredung noch eine Entscheidung, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. "Die Frage der Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken ist Bestandteil des energiepolitischen Konzepts, über das im Herbst entschieden wird." Der bisherige Atomkompromiss sieht vor, dass die Reaktoren Biblis A und Neckarwestheim I bald abgeschaltet werden sollen.

Grünen-Chefin Claudia Roth warf den drei Länderministern vor, sie seien "atompolitische Betonköpfe". Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte, die Energiekonzerne verdienten mit jedem Jahr Verlängerung 300 Millionen Euro pro Atommeiler zusätzlich. Die Linksfraktion sprach von Planlosigkeit der Koalition.

dpa