Störungen im Betriebsablauf (Folge 18)

Störungen im Betriebsablauf (Folge 18)
Pendeln im ICE ist nur was für Hartgesottene - vor allem, seit die Bahn fast nur noch mit der Hälfte ihrer schnellen ICEs unterwegs ist. Platzreservierungen verkümmern dabei zur Nebensächlichkeit.
12.02.2010
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 8. bis 12. Februar

Montag

Heidewitzka, am Kölner Hauptbahnhof ist jetzt definitiv Karneval ausgebrochen. Der Drogeriemarkt "Ihr Platz", zwischen Gleis 10 und 11, verkauft jetzt Piratenhüte, Spielzeugwaffen, Teufelsschminke und Dornkaat. Schnaps am Bahnhof? Ob das gut geht? Ist "Ihr Platz" nicht in letzter Zeit ins Gerede gekommen, weil dort Kunden gefilmt werden? Nicht dass die an der Kasse hilflose Pendler betrunken machen, heimlich filmen und die Videos bei Youtube einstellen.

Dienstag

Ein Tag, an dem man Herrn Grube gern persönlich die Teufelshörner aufsetzen würde. Was ist das für ein mieses Krisenmanagement. Fast jeder zweite ICE-Zug ist jetzt in der Werkstatt, Kälteschaden. Die Folge: Der Zug von Köln über Frankfurt nach München fährt bis auf weiteres in halber Länge. Da kann man vielleicht nichts machen. Die Folge: Es stürzen sich Hunderte von Pendlern auf die wenigen Plätze, Survival of the Fittest, der Pendler ist des Pendlers Feind. Da kann man vielleicht auch nichts machen. Aber dass sich alle dennoch durch den Zug drängen im Glauben, irgendwo könne ein Platz sein. Dagegen könnte man was machen. Dass der Kafeeverkäufer über mich drüber stolpert, anstatt vielleicht eine Runde Kaffe auszugeben, dagegen könnte man auch was machen. Ich sitze mit vielen anderen Pendlern zusammen auf dem eiskalten Boden. Ich könnte jetzt einen Dornkaat gebrauchen. Oder eine Waffe.

Mittwoch

Dasselbe Spiel wie gestern, aber diesmal habe ich gewonnen im Kampf Pendler gegen Pendler: Ich habe einen Platz. Zu meinen Füßen sitzen wieder junge Banker im feinen Anzug, aber die haben beschlossen: schlechte Stimmung bringt nichts. Sie spielen Karten, johlen und juchzen, es ist wie Klassenfahrt. Bloß dieser Rentner aus Essen, der sich für diesen einen Ausflug nach Frankfurt ein Bahnticket geleistet hat, versteht die Welt nicht mehr. Er fährt zur Botticelli-Ausstellung ins Städel nach Frankfurt, und er sagt immer wieder hilflos: "Ich habe doch eine Reservierung!" Reservierungen bringen aber nichts mehr - seit Tagen. Und Bahnfahren ist mehr was für abgebrühte Profis. Vor allem eher was für Jüngere, ab 40 kriegt man echt ein Problem nach einer Stunde Hocken auf dem kalten Boden.

Donnerstag

Altweiber – oder, wie Eins live heute morgen sagt: Kaltweiber! Wir stehen noch eine Stunde früher auf als sonst, mein Zwölfjähriger muss sein Bob-Marley-Kostüm vervollständigen, der Kleine wird James Bond. Noch sieht seine Frisur aus wie Daniel Craig, sagt er, es soll aber Sean Connery sein. Ich finde, es sieht immer noch eher nach Oskar Ott aus, aber egal. Es ist so saukalt, dass kein Kostüm dem Straßenkarneval standhält, es sei denn, man wird Eisbär. Ich fahre die beiden wenigstens mit dem Auto zur Schule und beschließe spontan, weiter nach Frankfurt zu fahren mit dem Auto. Ein Tag ohne Daseinskampf im ICE. Ich werde es bitter bereuen. Ich brauche auf der A3 geschlagene vier Stunden, weil ab Limburg die Lastwagen auf geschlossener Schneedecke querstehen . Ein ICE nach dem anderen fährt an uns vorbei. Na super. Nie wieder Auto im Winter.

Freitag

Die Karawane zieht weiter, der Winter bleibt da. Ruhig ist es heute morgen auf den Kölner Straßen, die Jecken schlafen, die Müllarbeiter bugsieren mit Laubpustern die kaputten Kölschgläser auf die Straßenmitte, dann kommt eine Art Schneepflug und schiebt den Müll wieder zur Seite. So richtig Sinn scheint mir die Methode nicht zu machen, aber Sinn ist in Köln nicht das zentrale Thema an Karneval. Zum ersten Mal, seit ich in Köln wohne, heißt die Titelstory im Kölner Stadtanzeiger am Tag nach Weiberfastnacht nicht etwa Kölle alaaf. Sondern "Pfusch beim U-Bahn-Bau noch viel größer". Es fehlen 83 Prozent der Stahlträger, die wurden auf dem Schwarzmarkt vertickert. Das wird ja eine tolle U-Bahn ab 2014. Heidewitzka!



Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de

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