Alles anders: Heiligabend auf der Hallig

Alles anders: Heiligabend auf der Hallig
Das klassische Heiligabend-Lied "Stille Nacht, heilige Nacht" wird am 24. Dezember auf der schleswig-holsteinischen Nordsee-Hallig Gröde nicht in der kleinen St. Margarethen-Kirche erklingen.
16.12.2009
Von Hartmut Schulz

Weil nach dem Gezeitenkalender an Heiligabend morgens und abends in der Dunkelheit Flut ist, kann Halligpastor Matthias Krämer (45) nicht mit dem Postboot zur kleinen Insel kommen. "Das Boot hat kein Radar", sagt er.

Deshalb wird bereits am 4. Advent Gottesdienst im kleineren Rahmen gefeiert. Da würde "Stille Nacht" nicht passen, betont der Pastor. Am 24. Dezember ist er dann auf seiner Heimatinsel Langeneß und auf Oland im Einsatz.

Ganz auf einen evangelischen Theologen verzichten müssen in diesem Jahr die 110 Bewohner auf Hallig Hooge, nachdem Pastor Klaus-Dieter Niedorff (64) in diesem Herbst in den Ruhestand gegangen ist. Gottesdienst gefeiert wird Heiligabend in der 1637 geweihten Kirche trotzdem. Die ehrenamtliche Prädikantin Getrude von Holdt-Schermuly (61) wird um 17 Uhr auf der Kirchenkanzel stehen und predigen. "Am zweiten Weihnachtstag gibt es einen plattdeutschen Gottesdienst. Dann predige ich op platt", sagt sie.

Holdt-Schermuly ist für drei Monate vertretungsweise ins Pfarrhaus eingezogen. Erst Anfang kommenden Jahres stellen sich Kandidaten für die Pastoren-Nachfolge vor. Die Hausfrau lebt mit ihrem Mann Eckart in Niebüll (Kreis Nordfriesland), der als Arzt dort eine orthopädische Praxis hat. Holdt-Schermuly ist auch sonst in der Kirche aktiv, hat Sitz und Stimme in der Kirchenkreissynode und im Kirchenkreisvorstand Nordfriesland.

Für Ebbe und Flut muss der Zeitplan geändert werden

Dass Halligbewohner pünktlich an Heiligabend in ihrer Kirche feiern, ist nicht selbstverständlich. Wenn Ebbe und Flut nicht mitspielen, muss der Zeitplan geändert werden. Das akzeptieren auch die 17 Gottesdienstbesucher auf Hallig Gröde, ist sich Krämer sicher. Seinen ersten Heiligabend-Einsatz hat der auf Langeneß lebende Vater dreier Kinder in diesem Jahr auf der Nachbarinsel Oland um 14.30 Uhr. Da es eine 4,5 Kilometer lange Schienenverbindung gibt, fährt er mit der 9,5-PS-Lore zur benachbarten Inselgemeinde. Auch die Orgel spielt er hier selbst.

Um 17 Uhr wird er dann auf Langeneß zum Gottesdienst erwartet. Mit über 100 Frauen, Männern und Kindern kann der Pastor in der Kirche rechnen. Am ersten Weihnachtstag wird hier ebenfalls Gottesdienst gefeiert, am zweiten Festtag dann wieder auf Oland. Krämer ist seit über 15 Jahren Hallig-Pastor. Dass er über die Festtage ein besonders volles Programm hat, stört ihn nicht. "Dafür habe ich weniger Amtshandlungen wie Hochzeiten und Trauerfeiern als meine Kollegen auf dem Festland", sagt er.

Die Halligen sind kleine Inseln im nordfriesischen Wattenmeer an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins. Die sieben bis 960 Hektar großen Halligen sind teilweise Reste des Festlands oder von Inseln, die nach Sturmfluten übrigblieben. Anders als Föhr, Amrum oder Sylt sind sie nicht durch Deiche geschützt und werden daher bei Sturmflut überschwemmt. Wohnhäuser und Kirchen befinden sich auf meterhohen künstlich aufgeschütteten Hügeln, den Warften.

epd