Ethikrat gegen Babyklappen, EKD-Ratsvorsitzende dafür

Ethikrat gegen Babyklappen, EKD-Ratsvorsitzende dafür
Der Deutsche Ethikrat spricht sich gegen Babyklappen aus. Die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann hingegen möchte anonyme Geburten weiterhin ermöglichen. Auch eine Minderheit der Mitglieder des Ethikrates schloss sich der Stellungnahme des Gremiums nicht an: Sie argumentieren, das Angebot zur anonymen Geburt könne möglicherweise Leben retten und sei als "letzte Möglichkeit" wichtig.

Der Deutsche Ethikrat hat sich für die Schließung von Babyklappen ausgesprochen. "Die bestehenden Angebote anonymer Kindesabgabe sind ethisch und rechtlich sehr problematisch, insbesondere weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzen", heißt es in einer am heutigen Donnerstag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme. Auch die Angebote zur anonymen Geburt sollten aufgegeben werden.

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Babyklappen sind öffentlich zugängliche, geschützte Wärmebettchen, in denen Frauen anonym ihr Neugeborenes legen und zur Adoption freigeben können. Über einen Alarm werden eine Klinik oder Hebammen auf das Kind aufmerksam gemacht, so dass sie sich um den Säugling kümmern können. Derzeit gibt es bundesweit knapp 80 Babyklappen, die meisten davon in kirchlicher Trägerschaft. Daneben werden in rund 130 Krankenhäusern anonyme Entbindungen angeboten. Dabei gibt die Frau ihre Identität nicht preis.

Die bisherigen Erfahrungen legten nahe, dass Frauen, die ihr Kind töten wollen, durch die Angebote nicht erreicht würden. In den vergangenen zehn Jahren seien 300 bis 500 Kinder durch diese Angebote zu "Findelkindern mit dauerhaft anonymer Herkunft" geworden, teilte der Ethikrat mit.

Ethikrat empfiehlt mehr legale Hilfsangebote

Das Gremium empfiehlt stattdessen, die vorhandenen legalen Hilfsangebote zu verbessern und bekannter zu machen. Zudem solle ein Gesetz zu einer "vertraulichen Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung" beschlossen werden. Dabei wird der Frau zugesichert, dass ihre Daten ein Jahr lang ab Geburt des Kindes nur der Beratungsstelle und nicht den Meldebehörden mitgeteilt werden. Es gebe zudem bereits "auf gesetzlicher Grundlage ein umfangreiches Angebot an wirksamen Hilfestellungen für Frauen selbst in extremen Notlagen", bei denen den Kind seine Herkunft und leiblichen Eltern nicht vorenthalten wird.

Der Deutsche Ethikrat hat 26 Mitglieder, die im Auftrag von Bundesregierung und Bundestag sich mit Fragen vor allem aus dem "Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen" beschäftigen. Nicht alle Mitglieder schlossen sich der Forderung nach dem Abschaffen der Babyklappe an. Sechs der Ratsmitglieder, darunter der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der Freiburger Theologe Eberhard Schockenhoff und der frühere Ministerpräsident Baden-Württembergs, Erwin Teufel, unterzeichneten ein Sondervotum. Darin werden Babyklappen und Angebote anonymer Entbindungen als "letzter Ausweg" betrachtet, um Frauen zu erreichen, die sonst möglicherweise ihr Kind unversorgt aussetzen würden.

Käßmann: "Frauen und Mädchen aus der Not helfen"

Die Juristin und frühere Vorsitzende des Vorgänger-Gremiums, des Nationalen Ethikrats, Kristiane Weber-Hassemer, verwies darauf, dass die Datenlage "flau und nicht verlässlich" sei. Deshalb solle die derzeitige Praxis der anonymen Kindesabgabe geduldet werden. Aus ähnlichen Motiven enthielten sich die beiden Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der Stimme.

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Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann, will ebenfalls an Babykörbchen für Neugeborene festhalten. Käßmann sagte vor der Landessynode in Hannover, sie plädiere außerdem weiterhin für die Möglichkeit der anonymen Geburt. Unerlässlich sei jedoch, dass sowohl Babykörbchen als auch anonyme Geburt in ein Netzwerk von weiteren Hilfen für Mütter in Not eingebunden seien.

Käßmann hat 2001 gemeinsam mit dem Diakonischen Werk der hannoverschen Landeskirche das Projekt "Mirjam - ein Netzwerk für das Leben" für Mütter in Not gegründet. Es unterhält neben einem Babykörbchen auch ein Notruf-Telefon für schwangere Frauen und verschiedene Beratungsstellen. Bisher seien bereits mehr als 10.500 Anrufe eingegangen. "Es geht uns nicht nur um eine einzelne, isolierte Aktivität, sondern darum, Frauen und Mädchen aus ihrer Not zu helfen", unterstrich die Bischöfin vor dem Kirchenparlament.

"Terre des hommes" begrüßt Ethikrat-Votum

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sprach sich dagegen aus, die Angebote der anonymen Geburt einzustellen. "Sie helfen, das Leben von Kindern zu retten, bieten Frauen einen geschützten Raum für die Entbindung und tragen in vielen Fällen dazu bei, dass die Mütter sich nach der Geburt für ein Leben mit ihrem Kind entscheiden", sagte ZdK-Präsident Alois Glück in Bonn.

Die Kinderschutzorganisation "terre des hommes" begrüßte das Votum des Ethikrates als "Schritt in die richtige Richtung." Mit seinem Vorschlag der vertraulichen Geburt könne terre des hommes "sehr gut leben", sagte Adoptionsexperte Bernd Wacker dem epd. "Babyklappen sollten umgehend geschlossen und die Werbung für anonyme Geburten im Krankenhaus verboten werden", forderte der Fachmann. Legale Hilfs- und Beratungsangebote für Schwangere in Notlagen sollten besser bekannt gemacht werden.

dpa/epd/han