Die "Urknallmaschine" in Genf beschleunigt wieder Teilchen

Die "Urknallmaschine" in Genf beschleunigt wieder Teilchen
Nach monatelangen Reparaturen ist die größte Forschungsmaschine der Welt, der Teilchenbeschleuniger LHC, seit Freitagabend wieder angeschaltet. Der erste Teilchenstrahl zirkuliere wieder in dem 27 Kilometer langen Ringbeschleuniger bei Genf, meldete das europäische Teilchenforschungszentrum CERN. Mit der rund drei Milliarden Euro teuren Anlage wollen die Physiker dem Urknall so nahe kommen wie nie zuvor und fundamentale Rätsel der Natur lösen.

"Es ist toll, dass der LHC samt Teilchenstrahl wieder läuft", sagte CERN-Direktor Rolf Heuer laut Mitteilung. Der "Large Hadron Collider" (LHC) war am 10. September 2008 mit einem Bilderbuchstart in Betrieb gegangen, neun Tage später jedoch legte eine schwere Panne im Kühlsystem den unterirdischen Beschleuniger lahm.

Zur offiziellen Eröffnung im Oktober vergangenen Jahres war die Anlage abgeschaltet. Die Reparaturarbeiten dauerten länger als zunächst erwartet. Erst nach mehr als einem Jahr wurde die "Urknallmaschine" nun wieder in Betrieb genommen.

Der LHC hatte seine Betriebstemperatur von minus 271 Grad Celsius (1,9 Grad Kelvin) am 8. Oktober dieses Jahres erreicht. Erste Teilchen wurden am 23. Oktober in die Maschine gegeben, die jedoch noch nicht zirkulierten. Erste "langsame" Teilchenzusammenstöße soll es laut CERN in etwa einer Woche geben.

Das Ziel: Urknall simulieren, Higgs-Bosonen finden

Der LHC ist der stärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Im Regelbetrieb soll er fast lichtschnelle Atomkerne mit bislang unerreichter Energie zusammenstoßen lassen und damit unter anderem die Bedingungen kurz nach dem Urknall simulieren. Im Trümmerregen dieser Kollisionen suchen die Forscher mit haushohen Nachweisgeräten nach bislang unentdeckten Elementarteilchen. So hoffen sie unter anderem auf Spuren des sogenannten Higgs-Bosons, das der gängigen Theorie zufolge aller Materie ihre Masse verleihen soll und oft als "Teilchen Gottes" bezeichnet wird.

Außerdem soll der seit 1983 geplante LHC "erstes Licht ins Dunkle Universum" bringen, wie CERN-Chef Heuer es formuliert. Die Physiker erhoffen sich Hinweise auf die Natur der rätselhaften Dunklen Materie und der ebenso mysteriösen Dunklen Energie, die zusammen rund 95 Prozent des Universums ausmachen sollen.

Der LHC ist eine Konstruktion der Superlative. Er hat einen Umfang von 26,7 Kilometern und ein Magnetfeld, das hundertmal stärker ist als das der Erde und von 9593 Magneten gespeist wird. Seine Betriebstemperatur liegt mit minus 271,3 Grad unter der des Weltalls, er kann im Vollbetrieb atomare Teilchen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen - auf 299.780 Kilometer pro Sekunde - und mit ihnen 600 Millionen Kollisionen pro Sekunde erzeugen. Dabei entstehenden 15 Millionen Gigabyte Messdaten pro Jahr, das entspricht in etwa einem 20 Kilometer hohen Stapel an CDs.

Die Gefahr, dass der LHC ein schwarzes Loch erzeugt und die Erde in sich einsaugt, wie vor dem Start des LHC vielfach orakelt wurde, besteht allerdings nicht.

dpa