Große Depression begann vor 80 Jahren

Große Depression begann vor 80 Jahren
Für die Weltwirtschaft war es der Super-GAU, für Millionen Menschen eine bittere Zeit des Elends. Mit dem Kollaps der Wall Street in den letzten Oktobertagen 1929 hob sich der Vorhang für das Drama, das als Große Depression in die Geschichte einging: Börsenstürze ins Bodenlose, abertausende Banken und Firmen ausgelöscht, endlose Schlangen vor den Suppenküchen. Ausgangspunkt waren die USA, aber es blieb kaum ein Land verschont.
26.10.2009
Von Frank Brandmaier

Gerne werden die dramatischen Ereignisse von einst hergenommen als Vergleich für die jüngste Weltwirtschaftskrise, deren Ende nun absehbar ist. Fachleute jedoch winken ab: "Wir erleiden derzeit Schmerzen, aber die Probleme der Großen Depression waren um einige Größenordnungen schlimmer", befindet der renommierte amerikanische Wirtschaftshistoriker Price Fishback.

Bis zum Sommer 1932 verloren die US-Börsenkurse fast 90 Prozent ihres Wertes, bis zu seinem Tiefpunkt zog sich das Debakel fast drei Jahre lang hin. Millionen amerikanische Anleger, vom Arbeiter bis zum superreichen Spekulanten, verloren all ihre Investitionen.

Wühlen in Müllhalden

Industrieproduktion und Außenhandel brachen zusammen. In den USA war 1932 jeder Vierte ohne Job, die Wirtschaftsleistung schrumpfte dramatisch. Millionen in Amerika verloren ihr Obdach. Wer Hunger litt, wühlte in Müllhalden und Abfalltonnen nach Essbarem. Erst mit dem Zweiten Weltkrieg endete die globale Wirtschaftskrise.

Dabei hatte alles so schön mit dem Boom der "Goldenen Zwanziger" begonnen. Von 1925 bis zum September 1929 erlebte die Wall Street eine wahre Kursexplosion. Im letzten Jahr vor dem Crash verschärfte sich die Zockerei an der Börse dramatisch: Zeitweise konnten Spekulanten mit nur zehn Prozent Anzahlung Aktien auf Pump kaufen. Dazu kamen schlimmste Marktmanipulationen, Wertpapierbetrügereien und alle nur denkbaren Exzesse einer Superhausse. Der jüngsten Krise gingen ein aufgeblähter US-Immobilienmarkt und eine Casino-Mentalität mit Ramschkrediten und obskuren Finanzprodukten voraus.

Am Donnerstag, dem 24. Oktober, begann der Wall-Street-Kollaps am Vormittag mit dramatischen Kurseinbrüchen - die schlimme Nachricht erreichte Europa erst einen Tag später, daher "schwarzer Freitag". US-Banken griffen mit Stützungskäufen ein, stabilisierten den Dow- Jones-Index zunächst. Am Montag dann brach die Welt an der Wall Street endgültig zusammen. In einer beispiellosen Verkaufspanik verliert der Index am "schwarzen Montag" 13 Prozent. Ein Einbruch von zwölf Prozent folgte noch einmal am Dienstag, dem 29. Oktober - jener Tag, den viele Historiker als Beginn der Großen Depression sehen.

Schlimme Folgen für Deutschland

Kaum ein anderes Land wurde von dem weltweiten Absturz so hart getroffen wie Deutschland, nirgendwo sonst waren die politischen Folgen so eng verknüpft. Die zur Macht strebenden Nationalsozialisten missbrauchten die Verunsicherung der Deutschen, machten Reparationszahlungen an die Sieger des Ersten Weltkrieges für die rasch steigende Arbeitslosigkeit verantwortlich. Investitionen waren vor allem mit Hilfe von Krediten aus den USA finanziert.

Im Herbst 1930 errangen die Nazis einen phänomenalen Wahlerfolg, erschrocken zogen ausländische Geldgeber ihre Darlehen ab, Deutschland stürzt in einen Abwärtsstrudel. Waren 1929 noch 1,6 Millionen Menschen ohne Job, schwoll ihre Zahl nur drei Jahre später auf mehr als 6 Millionen an. Nach Einschätzung von Historikern gelangte Adolf Hitler genau zu dem Zeitpunkt an die Macht, als die Krise ihre Talsohle durchlaufen hatte.

Für den amtierenden US-Notenbankchef Ben Bernanke, der als Akademiker die Große Depression so gründlich erforschte wie kaum ein anderer, verbietet es sich, die jüngste Krise direkt neben die rabenschwarzen Jahre von damals zu stellen. "Das ist kein Vergleich", betonte er. Umstände und Dimensionen seien zu verschieden.

Lektionen lernen

Doch bergen die Jahre des Elends für Ökonomen Anschauungsmaterial - vor allem mit Blick auf die Versäumnisse der US-Zentralbank. Statt im Kampf gegen die Krise Zinsen zu senken, wurden sie angehoben - um der Spekulation den Garaus zu machen. Der andere große Fehler: "Die Federal Reserve unternahm nichts, als die Banken zu hunderten und zu tausenden zusammenbrachen", sagte Bernanke.

Panisch verfielen Länder - vor allem die US - dem Protektionismus. Ein Zollgesetz von 1930 verteuerte Importe - Vergeltungsmaßnahmen ander Staaten würgten den Handel ab. Und zu allem Überfluss erhöhte Präsident Herbert Hoover die Steuern, um den Staatsetat auszugleichen.

Einige Lektionen scheinen gelernt: Diesmal bestimmten radikale Zinssenkungen, milliardenschwere Konjunkturpakete und Geldspritzen für die taumelnde Finanzbranche das Bild im Kampf gegen die Krise, und das alles auch noch international einigermaßen abgestimmt. Selbst wenn vor allem reiche Länder noch lange Zeit unter der gigantischen Schuldenlast stöhnen werden.

"Es hat funktioniert", klopften sich die 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte (G20) bei ihrem Gipfeltreffen im September selbst auf die Schulter. Für das kommende Jahr sagt der Internationale Währungsfonds schon wieder rund drei Prozent weltweites Wachstum voraus. Doch als Mahnung wird hohe Arbeitslosigkeit noch eine Weile bleiben.

dpa