"Mord aus bloßem Hass" - Tat im Gericht vor Gericht

"Mord aus bloßem Hass" - Tat im Gericht vor Gericht
Unter besonders strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Dresdner Landgericht der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder der Ägypterin Marwa El-Sherbini begonnen. Dem heute 29 Jahre alten Alex W. wird vorgeworfen, die 31-Jährige im Juli während eines Prozesses am selben Gericht mit mindestens 16 Messerstichen getötet zu haben. Der Ehemann von Marwa El-Sherbini wurde lebensgefährlich verletzt, als er seine schwangere Frau schützen wollte. Tatmotiv war nach Ansicht der Ermittler fanatischer Hass auf Muslime.

Mord aus blankem Hass hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zum Auftakt des Prozesses in Dresden vorgeworfen. Alex W. habe die Frau und ihren Mann angegriffen, "um sie zu töten", sagte Oberstaatsanwalt Frank Heinrich am Montag bei der Verlesung der Anklageschrift. Der 28 Jahre alte Angeklagte habe auf die unmittelbar nebeneinander stehenden Eheleute "zunehmend teilweise mit großer Wucht" und aus "bloßem Hass" abwechselnd eingestochen. Der Ehemann wurde lebensgefährlich verletzt. Die Anklage lautet auf Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung.

Alex W. stammt aus Perm in Russland, der Spätaussiedler besitzt aber einen deutschen Pass. Die Bluttat hatte im In- und Ausland für Entsetzen gesorgt. In der arabischen Welt wurde der Ruf nach Vergeltung laut. Gegen den Angeklagten gab es im Internet einen Mordaufruf.

Marwa El-Sherbini war am ersten Julitag zu einem Berufungsprozess um eine Beleidigung ins Landgericht gekommen. Alex W. hatte die Kopftuch tragende Frau im Sommer 2008 auf einem Dresdner Spielplatz als "Islamistin", "Terroristin" und "Schlampe" beschimpft. Sie erstattete Anzeige. Gegen den Angeklagte wurde eine Geldstrafe verhängt, er ging aber in Berufung.

Sohn musste die Tat mit ansehen

Als die Frau am 1. Juli als Zeugin ausgesagt hatte und den Gerichtssaal verlassen wollte, ging Alex W. laut Anklage mit einem Küchenmesser auf sie los. Auch ihr Mann, der außerdem durch den Schuss eines Bundespolizisten am Bein verletzt wurde, bekam mindestens 16 Stiche ab. Die Tat geschah vor den Augen des dreijährigen Sohnes.

"Der Angeklagte wusste, dass die beiden keinen Angriff erwarteten und ihm hilflos ausgesetzt waren", so der Staatsanwalt. Die Tat sei durch die räumliche Enge des Gerichtssaales begünstigt worden. Alex W. "nutzte bewusst diese Umstände aus, um aus bloßem Hass auf Nichteuropäer und Moslems, denen er kein Lebensrecht zubilligt, das Leben der beiden auszulöschen". Er habe El-Sherbini aus Heimtücke und niederen Beweggründen getötet und versucht, einen weiteren Menschen zu töten.

Der Angeklagte, der an Händen und Füßen gefesselt in den Gerichtssaal gebracht worden war, verweigerte zum Prozessauftakt zunächst jegliche Auskünfte. Er saß mit dem Rücken zum Saal. Sein Gesicht verdeckte er mit der Kapuze seines Pullovers und einer Sonnenbrille.

Die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand machte zum Prozessbeginn deutlich, dass es sich um kein politisches Verfahren handle. Alle Beteiligten sollten dem Rechnung tragen. Es gehe darum, den Tod einer jungen Frau aufzuklären, "deren Würde in diesem Verfahren auch gewahrt werden muss", mahnte sie zudem.

Acht Anwälte helfen dem Opfer

Der Mann des Opfers erschien am Vormittag - gestützt auf zwei Krücken - im Gericht. Acht Anwälte vertreten den Witwer, den gleichfalls im Prozess anwesenden Bruder der Toten und deren Eltern als Nebenkläger. Das Ehepaar lebte seit mehreren Jahren in Dresden. Der Mann schrieb am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik seine Doktorarbeit, die Frau war in einer Apotheke beschäftigt.

Aus Sorge vor Racheakten gelten für den Prozess strenge Sicherheitsauflagen. Das Landeskriminalamt sieht eine "abstrakte Gefährdungslage". Zuschauer und Prozessbeteiligte sind durch eine 2,50 Meter hohe Glaswand getrennt. Beobachter müssen durch Sicherheitsschleusen. 200 Polizisten sollen den Prozess absichern. Die Gegend um das Landgericht ist weiträumig abgesperrt. Zunächst sind elf Verhandlungstage angesetzt. Zweieinhalb Wochen gibt es keinen anderen Prozess im Gebäude des Landgerichts.

Unter den Prozessbeobachtern am Montag war auch Ägyptens Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy. Er erwarte einen fairen Prozess: "Ich habe großes Vertrauen in die deutsche Justiz." Die ägyptische Regierung bezahlt nach Angaben des Außenministeriums in Kairo ein Team von deutschen Anwälten, das dafür sorgen soll, "dass der Mörder nach deutschem Recht die Höchststrafe erhält". Tarek El-Sherbini, ein Bruder des Opfers, sagte der Kairoer Tageszeitung "Al-Shorouk", die Familie werde sich zunächst auf den Prozess gegen den Mörder konzentrieren. Sie wolle jedoch zu einem späteren Zeitpunkt noch gegen den Polizisten klagen, der Marwas Ehemann im Gerichtssaal versehentlich angeschossen hatte. Auch eine Klage gegen das Gericht wegen mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen während des damaligen Prozesses sei in Vorbereitung.

dpa