24 Milliarden Euro Steuersenkungen ab 2011

24 Milliarden Euro Steuersenkungen ab 2011
Der Koalitionsvertrag für die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung von Union und FDP steht. Die Spitzen von CDU, CSU und FDP klärten nach knapp dreiwöchigen Gesprächen am frühen Samstagmorgen in Berlin die letzten strittigen Fragen. "Die Verhandlungen sind beendet, die Koalition steht", sagte der FDP- Finanzexperte Hermann Otto Solms.

Bis zuletzt hatten die künftigen Koalitionäre um die Höhe der Steuerentlastungen für Bürger und Unternehmen in den kommenden Jahren gerungen. Schließlich verständigten sie sich auf Steuersenkungen in Höhe von 24 Milliarden Euro von 2011 an. Es soll auch der von der FDP geforderte Stufentarif in der Einkommensteuer eingeführt werden. Details wurden in der Nacht dazu aber noch nicht bekanntgegeben.

Von 2013 an soll auch ein Betreuungsgeld für Kinder in Höhe von monatlich 150 Euro kommen. Diesen Zuschuss sollen Eltern bekommen, die für Kinder unter drei Jahren keinen staatlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen. Das Betreuungsgeld ist ein Anliegen, für das die CSU bereits seit Jahren kämpft. Die auf Druck aus Bayern durchgesetzte Maßnahme kostet den Staat 1,6 Milliarden Euro. Unterstellt ist, dass das Betreuungsgeld für etwa 900 000 Kinder gezahlt wird.

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Ferner besiegelten Union und FDP den Erhalt der Wehrpflicht. Der Wehrdienst für junge Männer wird aber zum 1. Januar 2011 um drei Monate auf ein halbes Jahr reduziert - damit wird er so kurz wie noch nie. In der Regel wird auch der Zivildienst entsprechend angepasst.

Die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) wollen an diesem Samstag in Berlin in einer Pressekonferenz die Verhandlungsergebnisse präsentieren. Für Sonntag und Montag sind Sonderparteitage von FDP, CDU und CSU angesetzt. Dem Vernehmen nach soll der Koalitionsvertrag am Montagabend unterzeichnet werden. Die Wiederwahl von Merkel und die Vereidigung des neuen Kabinetts ist für Mittwoch geplant.

Koalitionäre geben sich zufrieden

CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich "rundum zufrieden". Der bayerische Ministerpräsident betonte: "Es passt." Mit Blick auf den Kündigungsschutz und Arbeitnehmerrechte sagte er: "Es ist nichts dabei, wo ich rote Ohren bekäme." Der künftige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sprach von einem "sehr guten Tag". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte: "Die Koalition der Mitte steht." Laut FDP-Generalsekretär Dirk Niebel ist es das Ziel, die Krise zu überwinden. "Wir haben den Start ins nächste Jahrzehnt vorbereitet." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte: "Wir können gemeinsam Deutschland eine gute Regierung bieten."

Am Freitag hatten sich die Verhandlungspartner zum Abschluss ihrer dreiwöchigen Koalitionsverhandlungen auf ein Kabinett mit einigen personellen Überraschungen geeinigt. Ferner wurde eine grundlegende Gesundheitsreform beschlossen. Sie sieht ab 2011 einen größeren Steuerzuschuss vor. Kinder und Familien sollen entlastet werden.

Auf den Koalitionsvertrag gab es bereits erste Reaktionen. So begrüßte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" die von Schwarz-Gelb vereinbarte Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate. "Das macht durchaus Sinn", sagte er der Zeitung, denn bei ihm häuften sich die Beschwerden von Wehrpflichtigen über "Gammeldienst". Allerdings komme es jetzt auf eine vernünftige und sinnstiftende Ausgestaltung der neuen Dienstzeit an.

Kritik von Gewerkschaft und Naturschützern

Weniger positiv äußerte sich der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), Frank Bsirske. Er warnte angesichts der Koalitionsbeschlüsse vor einer "gefährlichen Entstaatlichung und einer Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts". "Schwarz- Gelb stellt Profit vor Gemeinwohl. Steuergeschenke in Milliardenhöhe für Unternehmen sind das Gegenteil aktiver Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise", hieß es in einer Gewerkschaftsmitteilung vom Samstag. Bund, Ländern und Kommunen würden so systematisch weitere finanzielle Mittel für dringend nötige Investitionen entzogen. Gerade Städte und Gemeinden brauchten mehr Geld für die Qualitätssicherung ihrer vielfältigen Aufgaben.

"Mit der Aushöhlung der staatlichen Finanzbasis geraten auch die sozialen Sicherungssysteme immer weiter unter Druck", sagte Bsirske. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise bei gleichzeitig steigender Staatsverschuldung drohten weitere Leistungskürzungen. Höhere Kosten für Gesundheit und Pflege würden über Zusatz-Beiträge allein auf Beschäftigte, Arbeitslose sowie Rentnerinnen und Rentner abgewälzt. Die Koalition ließe zu, "dass die Arbeitgeber immer weniger Verantwortung für solidarisch finanzierte Sozialsysteme übernehmen", meinte der Gewerkschaftschef.

Auch der Naturschutzbund sieht schwarz für die Zukunft: Deutschland verspiele seine Zukunftschancen in dem Bereich, kritisierte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke und warnte vor dem "Aufguss alter Politikrezepte". Dabei seien die geplante Aufhebung des Atomausstiegs und die Fixierung auf ein Atomendlager in Gorleben nur die Spitze des Eisbergs. So setze die neue Bundesregierung auf neue Beton-Orgien beim Straßenbau, während der Schienenverkehr durch die Steuerfreiheit von Flugzeugbenzin weiter benachteiligt werde. Der Nabu verwies außerdem darauf, dass auch bei Klimaschutz und Landwirtschaft keine verbindlichen ökologischen Vorgaben geplant seien.

Besonders kritisch beurteilt der Nabu die geplante Aufweichung der sogenannten Eingriffsregelung im Naturschutzrecht. Denn künftig solle lediglich eine Ausgleichszahlung genügen, wenn durch eine neue Straße oder ein neues Bauwerk in die Natur eingegriffen werde. Die Verpflichtung, den Schaden durch konkrete Naturschutzmaßnahmen zu kompensieren, entfalle. "Damit begehen die Koalitionäre Verrat am Naturschutz", sagte Tschimpke. Die Umweltschützer von Greenpeace schlossen sich an: Deutschland gebe seine Vorreiterrolle auf und stelle die Interessen der Konzerne über den Schutz von Mensch und Umwelt, kritisierte Greenpeace.

dpa