Aus dem Maschinenraum (Folge 4)

Aus dem Maschinenraum (Folge 4)
Auf der zur Zeit in Frankfurt stattfindenden Buchmesse sind Lesegeräte für elektronische Bücher – so genannte eBook-Reader - der letzte Schrei. evangelisch.de-Kolumnist Michael Stein hat die Geräte bereits intensiv getestet und kann die Begeisterung eigentlich nicht so recht teilen.
15.10.2009
Von Michael Stein

In meinem Bekanntenkreis war ich Ende der 90er Jahre der erste und lange Zeit auch der Einzige, der immer dann, wenn es um das Termine machen ging, seinen elektronischen "Organizer" vom Typ "Palm" aus der Tasche zog. Einige Geräte-Generationen bin ich dem Organizer-Trend gefolgt, habe meine Termine und Adressen umständlich mit Plastikstift und Bildschirm-Tastatur gepflegt und mir Notizen auf dem Display gemacht.

Irgendwann war dann Schluss. Ich habe einfach keinen Vorteil mehr darin gesehen, statt eines ganz normalen Taschenkalenders einen Organizer, PDA oder PocketPC mit mir herum zu tragen. Das Gerät musste regelmäßig aufgeladen, upgedatet und mit dem Schreibtisch-Rechner synchronisiert werden. Und für das Eintragen eines Termins brauchte ich bei meinem elektronischen Freund mindestens doppelt so lange wie bei einem Papier-Kalender. Seit ein paar Jahren benutze ich daher wieder einen ganz normalen Terminkalender aus Papier.

Wo liegt der Vorteil?

So ähnlich geht es mir derzeit mit dem neuesten Hype, dem eBook-Reader. Statt ein gedrucktes Buch zu kaufen oder zu leihen, lädt man dabei die elektronische Version des Buches aus dem Internet und überträgt es auf das Lesegerät. Ich gebe ja zu – die ersten Modelle von Sony und BeBook habe ich getestet und auch einige Wochen lang genutzt. Und tatsächlich ist die technische Qualität der "e-Ink"-Displays schon wirklich beeindruckend: Gestochen scharf kann man den Text lesen und kommt mit einer Akku-Ladung viele, viele Tage aus. Aber auch hier stellt sich klar die Frage: Wo genau liegt der Vorteil? Warum sollte ich mir eines dieser Geräte wirklich anschaffen?

In den nächsten Tagen will auch Amazon die neuste und auf Europa angepasste Version seines eBook-Readers "Kindle" nach Deutschland liefern. Das Gerät besitzt ein integriertes Mobilfunk-Modul, so dass man es zum Download von elektronischen Büchern nicht mehr extra an den Computer anschließen muss. Die Dateien werden direkt und ohne Umweg auf dem Gerät gespeichert. Na und?

Wo ist der "benefit"? - um diese Worthülse der Marketing-Strategen einmal zu benutzen. Wo ist der Vorteil gegenüber dem gedruckten Buch? OK, wenn ich heute ein Buch brauche, dann kann ich es elektronisch bestellen und es sofort lesen. Das kann ein Vorteil sein. Wenn ich aber heute in eine große Buchhandlung gehe und das Buch kaufe, dann kann ich es meistens auch sofort lesen. Und wenn ich heute die gedruckte Version bei Amazon bestelle, dann kann ich es in aller Regel morgen lesen. Eiliger hatte ich es bisher bei einem Buch noch nie.

Ein Buch - oder ganz viele?

Am absurdesten finde ich das Argument der eBook-Befürworter, dass man bei einem eBook-Reader ja immer ganz viele Bücher bei sich haben kann, ohne sie schleppen zu müssen. Rechnen Sie doch 'mal kurz nach: Mit wie vielen Büchern unterm Arm gehen Sie an einem normalen Tag so aus dem Haus? Ich weiß nicht, auf wie viel Sie kommen, aber mir reicht morgens im Zug eigentlich genau ein Buch völlig aus. Und zum Beispiel in den Urlaub würde ich so ein vergleichsweise teures Gerät ohnehin nicht mitnehmen. Bisher ist mir am Strand nämlich noch kein Buch geklaut worden, während ich im Meer oder auf einem Strandspaziergang war. Bei einem eBook-Reader wäre ich mir da nicht so sicher.

Nein, einen Vorteil kann ich nicht ausmachen – auch nach längeren Tests derartiger Geräte nicht. Ich persönlich finde, das eBook-Reader-Konzept hat eigentlich sogar mehr Nachteile. Es ist ein Gerät, das Zeit kostet. Es will aufgeladen, upgedatet und synchronisiert werden. Die Zeit nutze ich lieber, um die Bücher zu lesen. Man kann sich keine handschriftlichen Notizen machen, das Markieren von Textstellen ist umständlich – und: man kann das eigentliche Buch nicht anfassen, man kann das Papier nicht riechen, den Einband nicht fühlen.

Ganz abgesehen davon, dass bereits digitale Raubkopien von unzähligen Copyright geschützten Büchern im Internet aufgetaucht sind. Da wird die Buchbranche, die derzeit ein neues, lukratives Betätigungsfeld wittert, in den nächsten Jahren sicherlich noch einige schmerzliche Erfahrungen machen müssen.


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.