Claude Monet: Kunst für die Massen

Claude Monet: Kunst für die Massen
Claude Monet ist ein Künstler für die Massen. Nachdrucke seiner Bilder hängen millionenfach in deutschen Wohnungen. Das Von-der-Heydt-Museum widmet Monet nun eine Ausstellung.
09.10.2009
Von Maike Freund

"Man kann gar nicht nicht Monet-Fan sein", stellt Gerhard Finckh fest. Er muss es wissen, er ist Direktor des Wuppertaler Von-der-Heydt-Museums. Bis zum 28. Februar 2010 zeigt das Museum eine Retrospektive - eine Ausstellung mit fast 100 Werken - in der Monets gesamte Schaffensphase zu sehen ist. Von den Anfängen als humoristischer Karikaturist, über die Kathedralen-Serie bis zu seinen berühmten Seerosen-Bildern. Das ist einzigartig in Deutschland, dieser Rundumschlag. Denn bisher haben Ausstellungen eher einen Teilaspekt von Monets Schaffen beleuchtet.


Was aber ist so besonders an Monet? Warum begeistern sich heute so viele für seine Kunst? Vielleicht ist dem staunenden Betrachter der Bilder bewusst, dass er die Gemälde eines Genies vor sich hat. Kunsthistorisch betrachtet sorgte der Maler jedenfalls für bedeutende Wendepunkte. Beispielsweise das Bild "Impression soleil levant", das übrigens in der Ausstellung nicht zu sehen ist, weil es das Musée Marmottan in Paris nach einem Raub nicht mehr verleiht: Monet malte 1883 die Fischer in Le Havre im Sonnenaufgang. Als er es ein Jahr später ausstellte, wurde er ausgelacht; ein Kritiker regte sich über den immer wiederkehrenden Begriff Impression - Eindruck - in den Titeln der Bilder auf. Es müsse sich hierbei wohl um Impressionisten handeln, verlachte er die Künstlertruppe um Monet und schuf damit eine Bezeichnung für eine ganze Stilrichtung. In der Ausstellung zu sehen ist aber das Pendant des Bildes: Einige Jahre später malte Monet wie zum Trotz auf die Reaktion des Kritikers eine ähnliche Szenerie, diesmal den Sonnenuntergang, diesmal über der Seine.

 

Der Heuhaufen


Ein weiterer kunsthistorischer Wendepunkt: Die Serie der Heuhaufen. Eines dieser Bilder wurde 1895 in Moskau ausgestellt, wo es der junge Wassili Kandinsky sah. Der bekam erst einmal einen Schreck, weil er nicht erkennen konnte, was das Bild zeigte, weil es für ihn gegenstandslos war. Er nahm nur Kleckse und Farbstriche war. Erst dem Katalog entnahm er, um was es sich handelte – die Teilansicht eines Heuschobers. Seit diesem Augenblick ging Kandinsky der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, dass ein Gemälde auch abstrakt sein könnte. Damit beginnt die Moderne, findet der Sprung in die Gegenwart der Kunst statt. Dieses Gemälde, das die Grenze zur Gegenwart markiert, ist für den Museumschef eines der Highlights der Ausstellung.


Aber natürlich bietet die Ausstellung noch viel mehr. Chronologisch wird der Besucher durch Monets Schaffensperioden geführt. Von ersten Segelbooten, Hafenbecken und Strandbildern über Schneebilder oder dem berühmten Gemälde, das den Bahnhof Saint-Lazare und seine Eisenbahnbrücke zeigt bis zu den Serien, beispielsweise der Kathedrale von Rouen oder der Japanischen Brücke. Ein beeindruckender Rundgang, der einem den Kopf schwirren lässt.


Ob Monet immer funktioniert? Davon will der Museumsdirektor nichts wissen. Massen anzuziehen ist nicht die Intention des Kunsthistorikers. Ihm ist egal, ob 10.000 oder 100.000 Besucher kommen. Er ist Wissenschaftler und für ihn zählt, die wissenschaftliche Lücke schließen zu können: Eine Ausstellung anzubieten, die das gesamte Werk von den 1860er Jahren bis zum Tod des Künstlers zeigt. Eine Gesamtdarstellung des Malers. Auch wenn es Finckh nicht wichtig ist: Diese Ausstellung wird vermutlich mehr als 100 000 Besucher anziehen.

Riesiges Merchandising


Monet funktioniert tatsächlich immer. Nicht nur seine Gemälde. Das Merchandising um die Ausstellung ist beachtlich: Der Museumsshop wurde eigens für die Ausstellung vergrößert. Neben dem Ausstellungskatalog können Postern und Postkarten, Regenschirme, Tassen, Schals, Kulturbeutel, Portemonnaies und vieles mehr, das mit den Motiven des Malers bedruckt oder bestickt ist, gekauft werden. Nicht nur Ausstellungsbesucher kommen in den Shop, auch Menschen, die sich gar nicht für die Ausstellung interessieren, kommen, um Geschenke oder Ähnliches zu kaufen. Ein riesen Geschäft.


Zurück zur Ausstellung: Vielleicht weil er ein Impressionist, ein Eindrucksmaler ist, könnte man glauben, Monets Bilder seien spontan entstanden, schnell, aus einer Laune heraus. Die Leichtigkeit des Moments. Doch weit gefehlt: Monet bediente sich nicht nur künstlerischen Gesetzmäßigkeiten wie Fluchtpunkten, Diagonalen und dem goldenen Schnitt. Er plante seine Bilder bis ins kleinste Detaille. Was daraus entstand: keine Zufallsprodukte, sondern konstruierte Schönheit. Das ging sogar soweit, dass er in späteren Jahren seine Gärtner anwies, die Seerosen auf dem Teich in seinem Garten in Giverny so auszurichten, dass die Spiegelungen der Wolken im Wasser an bestimmten Stellen auftraten. Monet – der sorgfältigeKomponist.


Überhaupt sind die Seerosen ein weiterer Schaffens-Höhepunkt des Malers und ein Höhepunkt der Ausstellung. 30 Bilder zeigt das Museum allein aus dieser Periode. Dazu gehört neben den Seerosen aus allen Perspektiven auch die Serie der Japanischen Brücke, die Monet malte, als er schon fast erblindet war. Auch bei diesen Bildern kann der Betrachter wieder die exakte Komposition des Malers erkennen. Mehr noch: Monet hebt in einigen seiner Seerosen-Bilder oben und unten, rechts und links auf. Denn man weiß nicht mehr genau: Ist das nun eine Spiegelung im Wasser oder steht das Bild einfach auf dem Kopf? Was Monet hier leistet, ist eine Entgrenzung des Sehens. Er ermöglicht ein "Sehen über das eigene Blickfeld" hinaus. Finckh nennt das "rasend modern.


Was ist es also, das die Menschen an Monet bis heute so fasziniert? Nichts ist in seinen Bildern, was schmerzen könnte. Im Gegenteil. Sie sind "harmonisch, zur Freude gemacht, um die Welt zu feiern", sagt Museumschef Finckh. "Er begeisterte sich für die Welt, das ist in seinen Bildern zu spüren." Möglicherweise ist das einer der Gründe, warum die Menschen aus ganz Deutschland und dem umliegenden Ausland auch in Wuppertal wieder Schlange stehen werden, um Monets Bilder zu betrachten. Vielleicht ist es auch die heutige Sehnsucht nach einer intakten Welt und der Wunsch nach Schönheit, der Monet zum "Erfolgsgeheimnis" macht. Weil unsere Zeit ihn und seine harmonische Kunst nötig hat.


Mehr Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de
Öffnungszeiten:
Mo geschlossen
Di+Mi 11-18 Uhr
Do+Fr 11-20 Uhr
Sa+So 10-18 Uhr