Ostseeregion bereitet sich auf Folgen des Klimawandels vor

Ostseeregion bereitet sich auf Folgen des Klimawandels vor
Die Ostseeregion bereitet sich auf den Klimawandel vor und will mit einem Forschungsprojekt die "kollektive Verleugnung des Meeresspiegel-Anstiegs" durchbrechen.
06.10.2009
Von Joachim Mangler

Die Folgen des Klimawandels zeichnen sich immer klarer ab. Doch noch immer scheuen Entscheidungsträger davor zurück, sich der nahen Wirklichkeit zu stellen und Konsequenzen zu ziehen. Damit soll zumindest für die deutsche Ostseeküste Schluss sein. Am Dienstag wurde in Rostock der Startschuss für ein fünfjähriges Forschungsprojekt gegeben. Es trägt den Titel "Regionale Anpassungsstrategien für die deutsche Ostseeküste" (Radost).

Der Geschäftsführer des Berliner Ecologic Instituts, Andreas Kraemer, gibt die Linie vor: "Damit soll die kollektive Verleugnung des Meeresspiegel-Anstiegs durchbrochen werden." Das Institut ist Träger des Projekts, zu dem sich 17 Forschungseinrichtungen und Behörden sowie 60 weitere Partner zusammengefunden haben. Ihnen stehen neun Millionen Euro aus dem Bundesforschungsministerium zur Verfügung.

Milder und angenehmer

Nahezu übereinstimmend gehen die Wissenschaftler davon aus, dass das Klima in der Ostseeregion milder und angenehmer wird. Daraus resultiere eine touristische Saisonverlängerung, sagt Wolfgang Vogel vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Schleswig-Holstein. Aber es müsse mit den Investoren gesprochen werden, denn möglicherweise führe ein Standort zu nahe an der Küste zu einer Fehlinvestition - abhängig davon, in welchem Tempo die Abschmelzung des Grönlandeises voranschreite. Doch dazu bieten selbst die besten Modellrechnungen keine Sicherheit.

Die beiden deutschen Ostsee-Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein investieren bereits viele Millionen Euro in den Hochwasser- und Küstenschutz. Langfristig sei mit weiter steigenden Ausgaben zu rechnen, sagt der Leiter des Staatlichen Amts für Umwelt und Natur in Rostock, Hans-Joachim Meier. Es sind Investitionen, die sich lohnen. Bei einem bis zu 30 Zentimeter höheren Meeresspiegel stünden 13 Prozent der Insel Usedom unter Wasser - "wenn wir nicht bereits etwas getan hätten", ergänzt er.

Auswirkungen auf Hafenwirtschaft

Im Rahmen von "Radost" sollen unter anderem die Auswirkungen auf die Hafenwirtschaft untersucht werden. Am Beispiel von Lübeck wird geprüft, wie der Hafen auf Hochwasser, Sturmfluten und zunehmende Sedimenttransporte reagieren kann. "Hafengesellschaften müssen ihre Investitionen über viele Jahrzehnte planen. Da werden enorme Summen versenkt, wenn man den Klimawandel ignoriert", sagt Jesko Hirschfeld vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin.

In Skandinavien werde der Klimawandel weitaus dramatischere Folgen als in der südlichen Ostsee haben, gibt Gerald Schernewski vom Rostocker Leibniz-Institut für Ostseeforschung zu bedenken. Die Veränderung der Regen- und Eisverhältnisse werde zur kompletten Änderung der Ökosysteme und Küstengewässer führen. In Mecklenburg- Vorpommern sei das nicht zu befürchten, da gehe es eher um die Veränderung der menschlichen Aktivitäten. So werde auch der Weinanbau weiter Fuß fassen.

"Klimaflüchtlinge" kommen

Es bestehe zudem die Möglichkeit, dass die Ostsee-Region Zufluchtsort für "Klimaflüchtlinge" wird. "Ältere Leute entscheiden sich mittlerweile, nicht mehr im schönen warmen Freiburg zu leben, sondern hier im gemäßigten Klima. Da ist vielleicht kein schöner Winter, aber ein gemäßigter Sommer", erklärt Schernewski.

dpa