Sumatra: Hoffnung auf Hilfe im Nieselregen

Sumatra: Hoffnung auf Hilfe im Nieselregen
Bei dem schweren Erdbeben auf der indonesischen Insel Sumatra sind mindestens 1.200 Menschen gestorben. Besonders schwer betroffen war die Stadt Tandikek.
04.10.2009
Von Ahmad Pathoni

"Ich dachte, das sei das Ende der Welt", sagt Nasirwan. "Ich bin von der Erde mitgerissen worden zum Fluss, aber ich konnte entkommen anstatt begraben zu werden." Der 26 Jahre alte Bauer aus dem einst verschlafenen indonesischen Dorf Tandikek hat überlebt, als am Mittwoch das Erdbeben kam und mit ihm die Erdrutsche, die drei ganze Ortschaften um Tandikek und wohl 400 Menschen unter sich begruben.

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Tandikek im Distrikt Padang Pariaman ist eine der Gegenden, die am stärksten vom Erdbeben getroffen wurden, weil sie dichter am Epizentrum lagen als etwa die Stadt Padang. Eine tonnenschwere Lawine von Schlamm riss Kokospalmen und andere Pflanzen mit sich und schob sich durch die Dörfer an den Flanken der Berge oberhalb der Reisfelder und des Flusses.

"In die Hände von Allah"

Bauer Nasirwan konnte den Erdmassen entkommen, doch seine Eltern und eine Nichte hatten nicht so viel Glück. Von ihnen fehlt noch immer jede Spur. Seine Nachbarn, die Lehrer und ihre Familien an der Grundschule hätten es auch nicht geschafft, sagt der 26-Jährige. "Ich habe das Schicksal meiner Familie in die Hände von Allah gelegt", sagt Nasirwan. Der junge Bauer klammert sich an einen Sack mit Kleidung, seine Beine sind schlammverschmiert.

Ausgestattet nur mit einem einfachen mechanischen Bagger machen sich Soldaten, Polizisten und zivile Helfer an die Suche. Im Nieselregen graben sie nach Vermissten. Zwei Tote fanden sie am Samstag, 20 Leichen sind es bisher insgesamt, sagt Uden Kusuma, der Polizeipräsident des Distrikts. Die Dorfbewohner sagen, unter den Verschütteten sei auch eine ganze Hochzeitsgesellschaft.

"Wir haben nicht genug schweres Gerät für eine Rettungsaktion in einem so großen Gebiet", klagt er. "Die Erde, unter der die Dörfer liegen, ist wahrscheinlich ein paar Dutzend Meter dick. Das ist ein harter Kampf." Ein japanisches Rettungsteam habe sich den Unglücksort angeschaut und versprochen, mit Verstärkung zurückzukehren, sagt der Polizeipräsident.

Leichengeruch in der Luft

In einem Nachbardorf haben Retter mit Kettensägen Palmen zerlegt, um einen Toten zu bergen. Leichengeruch hing in der Luft. In vier Häusern seien dort 17 Menschen verschüttet worden, sagt Manrizal, einer der Helfer. "Der Erdrutsch hat auch ein 500 Meter langes Stück einer neuen Strasse unter sich begraben."

Die Regierung spricht von bislang 540 Todesopfern im westlichen Sumatra. Die Verschütteten in den Ortschaften um Tandikek sind noch nicht eingerechnet. Rustam Pakaya, Leiter des Krisenzentrums vom Gesundheitsministerium, schätzt, dass noch etwa 3 000 Menschen unter dem Geröll liegen. Die Chance, sie zu finden, sei gering.

Hilfe läuft nur schleppend an

Die Schäden im Bezirk Padang Pariaman erstrecken sich über ein weites Gebiet. Von vielen eingestürzten Häusern ist nur noch das Wellblechdach zu erkennen. Hilfe kommt bislang nur schleppend in die Region, das geben auch die verantwortlichen Politiker zu. Überlebende errichten daher Straßenblockaden und betteln Autofahrer an. "Die Hilfe ist sehr spärlich", sagt zum Beispiel Toto. "Allein, um ein Zelt zu bekommen, müssen wir einen Hilfskonvoi anhalten und ihn zwingen, die Lieferung zu uns zu bringen."

Vertreter des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) sagen, sie berechneten noch die Bedürfnisse der Überlebenden, hätten aber noch keine Lebensmittel ausgeteilt. "Es gibt immer Spannungen in einer solchen Situation, aber wir müssen das, was wir tun, verantwortungsvoll machen", sagt Mispan Indarjo vom indonesischen WFP.

Er hoffe auf baldige Hilfe der Regierung für sein zerstörtes Dorf, sagt Bauer Nasirwan in Tandikek. Ein neues Leben will er sich in dem Dorf allerdings nicht mehr aufbauen: "Ich bin nicht sicher, ob es noch bewohnbar sein wird. Ich werde einen anderen Platz zum Leben finden."

dpa