US-Bürger zur Vorsicht ermahnt - Wie gefährdet ist Deutschland?

US-Bürger zur Vorsicht ermahnt - Wie gefährdet ist Deutschland?
Der jüngst an amerikanische Bürger gerichtete Reisehinweis ("travel alert") des US-Außenministeriums rückt hierzulande die mögliche terroristische Gefährdung verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Immerhin hält es die amerikanische Regierung für angezeigt, ihre Bürger über die gegen Deutschland gerichteten Propagandavideos von al-Qaida, in denen nach den Bundestagswahlen mit Anschlägen gedroht wird, zu informieren.
25.09.2009
Von Hedwig Gafga

Der jüngst an amerikanische Bürger gerichtete Reisehinweis ("travel alert") des US-Außenministeriums rückt hierzulande die mögliche terroristische Gefährdung verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Immerhin hält es die amerikanische Regierung für angezeigt, ihre Bürger über die gegen Deutschland gerichteten Propagandavideos von al-Qaida, in denen nach den Bundestagswahlen mit Anschlägen gedroht wird, zu informieren. Amerikanische Bürger werden beim Besuch öffentlicher Plätze sowie bei der Auswahl von Hotels und Restaurants in Deutschland zu besonderer Aufmerksamkeit angehalten. Die Warnung soll bis zum 11. November gelten. Auch das britische Außenministerium gab Stunden später einen solchen Reisehinweis heraus.

"Kein Grund für konkrete Warnungen"

Der Ermahnung zu besonderer Vorsicht beim Deutschlandaufenthalt hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier widersprochen: "Ich habe keinen Anlass für solche Reisewarnungen feststellen können." Die Lage habe sich durch den Reisehinweis der US-Regierung nicht geändert, und es gebe keinen Grund, konkrete Warnungen an die Bevölkerung zu richten, heißt es auch in deutschen Sicherheitskreisen. Auf öffentlichen Plätzen, bei Volksfesten oder im Fußballstadion brauchten sich die Menschen nicht anders zu verhalten als sonst.

Den "Reisehinweis" der US-Regierung, der im Gegensatz zur "Reisewarnung" auf zeitlich begrenzte Sicherheitsrisiken hinweist, hat Innenminister Wolfgang Schäuble nicht kommentiert. Auf der Internetseite des Innenministeriums heißt es: "Die gegen Deutschland gerichteten Drohungen von al-Qaida und anderen islamistischen Organisationen erreichen eine neue Qualität. Die Bundestagswahl bietet dabei einen besonderen Ansatz für propagandistische und operative Handlungen terroristischer Gruppierungen." Die Bedrohung sei aber bekannt, die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen längst getroffen. Auch neuerliche Propaganda-Videos von al-Qaida ergäben keine veränderte Sicherheitslage, äußerte auch BKA-Präsident Jörg Ziercke und fügte hinzu, man solle sich "nicht verrückt machen lassen“"

Sich nicht einschüchtern lassen, business as usual, heißt im Reiseverkehr wie bei Veranstaltern von Großereignissen die Devise. Unternehmen wie die Deutsche Bahn und einige Flughäfen geben allerdings keine eigenen Erklärungen ab, sondern verweisen lediglich auf die Zuständigkeit der Bundespolizei. Verunsicherung ist spürbar

Nachfragen beim Oktoberfest

Beim Tourismusamt in München etwa häufen sich die Nachfragen bezüglich der Sicherheit beim Münchener Oktoberfest. Die Festleitung verweist auf die "guten, bewährten Sicherheitsvorkehrungen der Polizei". Polizeisprecher Wolfgang Wenger verbreitet Zuversicht: "Es gibt eine erhöhte abstrakte Gefährdung, aber keine konkrete", sagt er. Gegen die diffuse Gefährdung setzt er auf Zahlen und Fakten: Videoüberwachung mit 17 Kameras, zwei mehr als im vorigen Jahr, Kontrollen im Eingangsbereich, 300 Polizisten, die ständig auf der Wiesn unterwegs sind. Bei dem großen Volksfest pflege man ohnehin einen hohen Sicherheitsstandard.

Ein Sprecher der Frankfurter Messe verweist ebenfalls auf Erfahrung und Routine im Umgang mit Großveranstaltungen, die von Zehntausenden Menschen besucht werden. Alles wie immer also bei großen Publikumsveranstaltungen wie der bevorstehenden Buchmesse? "Wir machen ein bisschen mehr, versuchen es aber so zu machen, dass die Menschen es nicht merken", sagt der Sprecher. Es seien viele Polizisten in Uniform und Zivilkleidung auf dem Gelände, am Eingang gäbe es gelegentlich Taschenkontrollen. Das eigene Security Center manage die Sicherheit in insgesamt rund 15.000 Räumen, zahlreichen Treppenfluren und Aufzügen, alle Mitarbeiter seien auf Notfälle vorbereitet. "Glücklicherweise waren das nur Trockenübungen. Wir hoffen, dass nichts passiert."

Noch kommen auch die ausländischen Touristen wie bisher nach Deutschland. "Bis jetzt lassen sich die Menschen von dem Reisehinweis des amerikanischen Außenministeriums nicht abschrecken, nach Berlin zu kommen", sagt Christian Tänzler von der Berlin Touristik Marketing GmbH, im Service Center habe es diesbezüglich erst eine Nachfrage eines besorgten Kunden gegeben. Berlinern wie Touristen bliebe zwar der höhere Sicherheitsaufwand nicht verborgen: die verstärkten Patrouillen der Bundespolizisten mit Maschinenpistolen an wichtigen Punkten der Hauptstadt. Allerdings komme das bei Großveranstaltungen in Berlin häufiger vor. Im Juli erst hat die Berlin Touristik einen zweistelligen Anstieg der Besucherzahlen aus Amerika verzeichnet, "der beste Juli, den wir seit der Wende hatten". Nun hofft der Tourismusmanager, dass es so weitergeht. Es sei zu früh, festzustellen, wie sich der Reisehinweis in der kommenden Zeit auf die Besucherzahlen auswirke.

Keine Verunsicherung bei Reisenden

Noch hat auch Pfarrer Reinhard Dircks, der Leiter des zentralen Beratungs- und Seelsorgezentrums bei der Hauptkirche St. Petri in Hamburg, keine Verunsicherung unter Ratsuchenden festgestellt. Er selbst hat von den wiederholten al-Qaida-Drohungen und dem Reisehinweis des US-Außenministeriums für Deutschland gehört und glaubt, dass wiederholte Warnungen dieser Art Ängste in der Bevölkerung auslösen könnten, "vor allem dann, wenn es keine Hinweise gibt, wie man sich verhalten soll".

Menschen, die unter Ängsten leiden, rät er, zu überprüfen, inwieweit ihre Ängste realistisch seien. Hilfreich könne es für Menschen in Angst sein, "Orte aufzusuchen, an denen sie sich gehalten fühlen". Dies könnten individuell verschiedene Orte sein, Kirchen etwa oder ein besonderer Platz in der Natur. Auch ein Gespräch mit einem Menschen, dem man vertraut, könne helfen. Im Fall, dass sich die Situation zuspitzte, würde der Pfarrer den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Beratungsstelle ein Training anbieten, um Menschen in traumatischen Situationen besser begleiten zu können. Aktuell hat er diese Möglichkeit aber verworfen: "Ich will doch keine Panik machen."