Klimaschützer fordern radikale Wende in Verkehrspolitik

Foto: dpa/Jan Woitas
Klimaschützer fordern radikale Wende in Verkehrspolitik
Weniger Autos, mehr Schiffe oder Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien: Ein effektiver Klimaschutz hat laut Umweltschützern nur mit einem neuen Verkehrskonzept eine Chance.

Der Verkehrssektor muss nach Auffassung von Umweltschützern radikal umgebaut werden, damit die Klimaschutzziele für 2050 erreicht werden können. Ein Konzept dafür stellten fünf große Umweltverbände am Mittwoch in Berlin vor. Mit den Vorschlägen könnten die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrssektors bis 2050 im Vergleich zu 1990 um fast zwei Drittel verringert werden.

###mehr-artikel###

Die Klimaschützer stellen in der Studie die Vermeidung von Verkehr in den Mittelpunkt und den Einsatz von umweltfreundlichen Transportmitteln wie etwa Elektrofahrzeuge. Würde der komplette Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt und Gas- und Flüssigkraftstoffe auf regenerativer Basis eingesetzt, wäre sogar ein Rückgang der Emissionen um 95 Prozent möglich.

Das Konzept wurde vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), vom World Wildlife Fund (WWF), Germanwatch und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) erstellt. Wissenschaftlich begleitet wurde es vom Öko-Institut. Gefördert wurde die Studie vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt.

Die Klimaschützer gehen in ihrem Szenario davon aus, dass die Zahl der Autos sich bis 2050 halbiert. "Das Auto wird massiv an Attraktivität verlieren", sagte NABU-Verkehrsexperte Daniel Rieger. Dies gelte vor allem in Städten und Ballungszentren. Daher werden ein verbesserter öffentlicher Nahverkehr, mehr Radwege und Carsharing-Angebote gefordert. Hinzu kommen schärfere CO2-Grenzwerte für "konventionelle" Pkw. Die Experten empfehlen eine Begrenzung bis 2025 auf maximal 65 bis 68 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer. Bis 2030 soll der Wert auf 50 Gramm sinken.

Zudem sprechen sich die Verbände für eine Pkw-Maut aus, deren Höhe von der Entfernung und vom Emissionswert abhängig ist. Der von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) angestrebten Pkw-Maut für Ausländer erteilten sie eine Absage. Auch für den Güterverkehr haben die Experten Vorschläge. Der Transport soll vor allem mit Schiffen erfolgen oder auf die Schiene verlegt werden.

Zu den größten Klimakillern gehört den Umweltschützern zufolge der Luftverkehr. "Die Klimawirkung im Luftverkehr ist drei mal so hoch wie die CO2-Effekte am Boden", betonte Stefan Küper von Germanwatch. Daher plädiert er für eine stärkere Begrenzung des Luftverkehrs. Die Verbände schlagen dazu etwa eine Kerosin-Steuer vor, internationale Flüge sollen in den Emissionshandel einbezogen werden. Mit diesen Maßnahmen könnte es gelingen, dass der Trend zu Kurzreisen und der Frachtverkehr zurückgeht, sagte Küper.

Trotz zahlreicher Investitionen etwa in den Ausbau der erneuerbaren Energien, in Forschung, für Infrastruktur oder neue Mobilitätsmodelle gehen die Experten nicht davon aus, dass die Vorschläge zum Kostentreiber werden. "Man gibt viel Geld für Prestigeobjekte aus", sagte BUND-Verkehrsexperte Werner Reh. Die Verkehrsplanung sei bisher wenig zielgerecht gewesen, sondern eher vergleichbar mit einem "orientalischen Basar".