Warum Protestanten keine Heiligen brauchen

Die größte Statue des zukünftigen katholischen Heiligen Papst Johannes Paul II. steht in Czestochowa in Polen.
Foto: dpa/Waldemar Deska
Die größte Statue des zukünftigen katholischen Heiligen Papst Johannes Paul II. steht in Czestochowa in Polen.
Warum Protestanten keine Heiligen brauchen
Denn es ist ein Mittler zwischen Gott und den Menschen
Gleich zwei Päpste des 20. Jahrhunderts, Johannes XXIII. und Johannes Paul II., wurden am Sonntag heiliggesprochen. Ein Ereignis, zu dem der Vatikan zwei Millionen Pilger in Rom erwartete. Während sich katholische Christen von der Heiligsprechung der beiden Päpste deren Aufnahme in die Reihen der himmlischen Ansprechpartner erhoffen, hat das Ereignis für evangelische Christen jedoch keine besondere Bedeutung. Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Auffassung und warum ist Protestanten das Geschehen so fremd?

Als heilig wurden nach biblischer Vorstellung ursprünglich das Ehrfurcht gebietende Wesen Gottes und alles was zu ihm gehört bezeichnet. Das Heilige war etwas, das der alltäglichen Welt fremd und nicht nach ihren Maßstäben beurteilbar war. Auf Erden galt aber auch all das als heilig, was mit der Heiligkeit Gottes zu tun hatte. Dazu zählten zum Beispiel Kultstätten, Gerätschaften, die dort verwendet wurden, besondere Zeiten, aber auch Priester und zu bestimmten Festzeiten auch andere Menschen. Ausgeweitet wurde die Vorstellung der Heiligkeit später auf das ganze, von Gott erwählte Volk Israel, das aufgefordert war, seine Heiligkeit zu bewahren, indem es Gottes Gebote hielt.

Im Neuen Testament ist es Jesus, der die Heiligkeit Gottes auf Erden repräsentierte und sonstige kultische Heiligkeit überflüssig machte. Wer im Glauben mit Christus vereint ist, gehört den Paulusbriefen nach als Glied der Kirche zu den Heiligen. Immer bedeutender wurde es mit der Zeit, dass sich diese Zugehörigkeit auch im eigenen Verhalten widerspiegelte. Heilig, das war auch damals schon klar, ist allerdings nichts und niemand aus sich selbst heraus, sondern einzig durch die Teilhabe an der Heiligkeit Gottes.

Märtyrer und Wundertäter, aber nicht moralisch vollkommen

Die Verehrung einzelner Heiliger geht zurück auf die Märtyrer-Verehrung des frühen Christentums. Man ging davon aus, dass Menschen, die ihr Leben für den Glauben an Jesus Christus gelassen hatten, nach ihrem Tod sofort in den Himmel aufgenommen würden. Dort, so glaubte man, könnten sie bei Gott Fürsprache halten und für hilfesuchende Menschen eintreten. Bald galt eine solche Art der Verehrung nicht mehr nur den Märtyrern, sondern auch anderen verstorbenen Glaubensvorbildern: Apostel, Kirchenlehrer, Bischöfe oder Jungfrauen wurden zu Heiligen. Und heilig war zunächst einfach, wer vom Volk als Heiliger verehrt wurde.

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Um allerdings eine unkontrollierte Inflation an Heiligen zu unterbinden, richtete die Kirche schließlich ein aufwändiges gerichtsähnliches Verfahren zur Heiligsprechung ein. Von nun an erklärte der Papst, nachdem ein "Verteidiger" und ein "Ankläger" das Leben und Sterben der betreffenden Person gründlich durchleuchtet hatten, wer heilig war und wer nicht. Wichtige Kriterien dabei sind in der katholischen Kirche bis heute die Fragen, ob der Anwärter schon von einer breiten Volksmenge verehrt wird, ob er ein Märtyrer ist oder vielleicht ein Wundertäter. Letzteres muss der Kandidat allerdings noch einmal beweisen, bevor er endgültig heiliggesprochen werden kann und zwar in Form eines medizinischen Wunders, das den Kriterien der katholischen Kirche entspricht.

Heiligenaltäre, Reliquienschreine, Wallfahrtsorte – die katholische Form der Heiligenverehrung wird von Protestanten meist mit Befremden und Skepsis beäugt. Auch wenn die katholische Kirche immer wieder ausdrücklich betont, Heilige würden nicht angebetet wie Gott, sondern nur verehrt – in der Praxis wurden Gräber von Heiligen immer wieder zu Wallfahrtsstätten und wundertätige Reliquien erfüllen unzählige Gläubige mit Ehrfurcht. Obwohl völlige Sündlosigkeit auch für die katholische Kirche nie ein Kriterium zur Heiligsprechung war, wirkt in der Volksfrömmigkeit bis heute zudem ein merkwürdiges Verständnis von Heiligkeit fort, als bedeute Heiligkeit moralische Vollkommenheit – ja, über alles Weltliche erhobene Reinheit und Sündlosigkeit.

Denn es ist ein Mittler zwischen Gott und den Menschen

Martin Luther wandte dagegen mit Recht ein, kein Mensch könne ohne Sünde sein. Außerdem warnte er vor der Gefahr der Heiligenanbetung, die den eigentlichen Glauben an Jesus Christus als den einzigen Mittler zwischen den Menschen und Gott verdecke. Schließlich heißt es schon in den Paulusbriefen: "Es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung" (1. Timotheus 2,3).

Luther schloss eine Mittlerfunktion der Heiligen also kategorisch aus, hielt es aber dennoch für ganz nützlich, den Heiligen zu gedenken. Im Augsburger Bekenntnis heißt es dazu: "Vom Heiligendienst wird von den unseren so gelehrt, dass man der Heiligen gedenken soll, damit wir unseren Glauben stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren und auch wie ihnen durch den Glauben geholfen worden ist" (Artikel 21).

Johannes Calvin und Ulrich Zwingli dagegen lehnten die Heiligenverehrung grundsätzlich ab, hielten sie sogar für Teufelswerk und gingen davon aus, dass sie gegen das alttestamentliche Bilderverbot verstoße.

Während Katholiken also glauben, dass die Heiligen vor Gott Fürsprache für die Menschen halten und durch ihr vorbildhaftes Leben zudem einen Schatz an guten Taten anlegen, auf den die Kirche etwa zurückgreift, wenn sie Ablässe erteilt, sind Heilige für Protestanten allenfalls vorbildhafte Menschen. Als Fürsprecher jedenfalls brauchen evangelische Christen sie nicht, denn "wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist" (1. Johannes 2,1).