Enttäuschung bei Türkischer Gemeinde über Doppelpass-Kompromiss

Enttäuschung bei Türkischer Gemeinde über Doppelpass-Kompromiss
Die Einigung in der großen Koalition auf eine Neuregelung der doppelten Staatsbürgerschaft stößt auf Kritik.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland lehnte den Gesetzentwurf ab. Anders als von Union und SPD behauptet, werde die Optionspflicht nicht abgeschafft, sondern weitergeführt, sagte der Vorsitzende des Dachverbands, Kenan Kolat, am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch aus den Reihen der SPD kamen Forderungen nach Nachbesserungen.

Unzufriedenheit auch bei einigen SPD-Politikern

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) bezeichnete die geplante Regelung in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitagsausgabe) als "sehr unbefriedigend". "Es bleibt bei einem riesigen integrationsfeindlichen Bürokratiemonster", sagte er. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatten sich nach mehrwöchigem Streit in der Koalition am Donnerstag auf einen Gesetzentwurf zur doppelten Staatsangehörigkeit geeinigt.

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Demnach sollen sich Migrantenkinder, die seit Geburt neben der deutschen die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern besitzen, demnach nicht mehr zwischen den Pässen entscheiden müssen, wenn sie mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben. Der Entscheidungszwang fällt auch dann weg, wenn sie sechs Jahre in Deutschland die Schule besucht haben oder einen deutschen Schul- oder Ausbildungsabschluss haben.

Der Kompromiss setzt die Hürden wesentlich niedriger als ursprünglich von Innenminister de Maizière vorgesehen, der eine Aufenthaltsdauer von mindestens zwölf Jahren oder einen deutschen Schulabschluss zur Bedingung machen wollte. Kolat sagte, trotzdem bleibe es bei einem hohen bürokratischen Aufwand. Immerhin müssten die Behörden jeden Einzelfall überprüfen.

Kolat kritisierte zudem, dass es keine Regelung im Gesetz zu den sogenannten Altfällen gibt, die die deutsche Staatsbürgerschaft durch den Optionszwang bereits verloren haben. De Maizière hatte zugesagt, dass sie auf einfachem Weg wieder eingebürgert werden können. Dazu sei aber keine Formulierung im Gesetz zu finden, sagte Kolat. Es bleibe damit eine Ermessensentscheidung der Behörden. Damit drohten Ungerechtigkeiten.

Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, verwies auf die Altfälle. Er sagte der "Welt": "Wir werden uns über die doppelte Staatsbürgerschaft auch für sogenannte Altfälle unterhalten." Die Fraktionen würden im weiteren Gesetzgebungsverfahren Änderungsvorschläge einbringen.

Zentralrat der Muslime sieht Staatsbürgerrecht "auf richtigem Weg"

Zufrieden über den Gesetzentwurf äußerte sich der Zentralrat der Muslime. Der Vorsitzende Aiman Mazyek sagte im RBB-Inforadio, dies sei "ein richtiger und wichtiger Schritt hin zu einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht". Er bedauerte allerdings, dass sich die Reform nur auf jüngere und nicht auf ältere Migranten bezieht.

Die Opposition lehnte den Gesetzentwurf ab. Die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen bezeichnete den Entwurf als "kleingeistigen, engstirnigen und faulen Kompromiss" der SPD mit der Union. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte, mit dem Gesetz werde aus der eigentlich vereinbarten Abschaffung der Optionspflicht eine Optionspflichtverlängerung.